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Wohlstand in Gefahr Was ein Handelskrieg mit China kosten würde – und welchen Ausweg es gibt

So abhängig ist Europa von Chinas Wirtschaft
Chinas Wirtschaft ist gewaltig. Das zeigt auch der Blick auf das Qianwan Container Terminal im Hafen von Qingdao in der ostchinesischen Provinz Shandong
© Li Ziheng / Xinhua / DPA
Was tun, wenn der Konflikt mit China eskaliert? Ökonomen des ifo-Instituts rechnen vor, was Deutschland ein Handelskrieg mit China kosten würde - und warum De-Globalisierung nicht die Lösung ist.

Der Konflikt mit Russland sorgt für wirtschaftliche Verwerfungen und bedroht den Wohlstand der Deutschen. Möglichst schnell will man nun unabhängig von russischer Energie werden. Parallel dazu verschärft sich aber auch die Auseinandersetzung mit China – und hier sind die wirtschaftlichen Verflechtungen noch viel enger. Der Handel mit der Volksrepublik ist ein wesentlicher Bestandteil des ökonomischen Erfolgs der vergangenen Jahre. Wenn die Chinesen tatsächlich Taiwan angreifen sollten, könnten wir uns ein Kappen der wirtschaftlichen Beziehungen wie im Fall Russlands überhaupt ansatzweise leisten?

Ökonomen des ifo-Instituts haben nun in einer Studie für die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) berechnet, was ein Handelskrieg mit China Deutschland wirtschaftlich kosten würde. Dies ist natürlich ein komplexes Gedankenspiel mit vielen Variablen. Die Forschenden haben daher auf Basis eines erprobten Handelsmodells verschiedene Szenarien durchgerechnet. Die Ergebnisse unterscheiden sich je nach Ausprägung eines möglichen Handelskonflikts erheblich. 

Handelskrieg wäre sehr teuer

Sollte sich die EU einseitig von der chinesischen Wirtschaft entkoppeln, würde das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland auf ein um langfristig 0,52 Prozent niedrigeres Niveau sinken. Die Auswirkungen wären damit etwa viermal so hoch wie die wirtschaftlichen Folgen des Brexits, schreiben die Wissenschaftler. Im Rest der EU lägen die Einbußen bei 0,38 Prozent. China selbst würde 0,42 Prozent des BIP verlieren.

Dabei würde es aber wohl nicht bleiben: Im wahrscheinlichen Fall, dass China seinerseits Vergeltungsmaßnahmen gegen die EU ergreifen würde, wären die wirtschaftlichen Verluste für alle Seiten deutlich höher. Deutschland würde in diesem Szenario realwirtschaftliche Verluste in Höhe von 0,81 Prozent erleiden. Der beiderseitige Handelskrieg würde die deutsche Wirtschaft damit fast sechsmal so viel kosten wie der Brexit, schreiben die Ökonomen. Am teuersten zu stehen käme er die Autoindustrie, den Maschinenbau und die Transportausrüstung. 

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De-Globalisierung kostet noch mehr

Der Bruch mit dem Handelspartner China würde also teuer. Also einfach die Produktion zurück nach Deutschland holen und sich unabhängig machen von autoritären Ländern und Despoten? Der Preis für eine solche Strategie der De-Globalisierung wäre laut der Studie noch viel höher. Eine weitgehende Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland ("Reshoring") würde das BIP demnach um heftige 9,68 Prozent senken. Deutschland würde also fast zehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung einbüßen. Selbst der weniger radikale Ansatz eines "Nearshoring" – gemeint ist ein Verlagern der Produktion vom anderen Ende der Welt in die erweiterte Nachbarschaft, Länder der EU, die Türkei und Nordafrika – würde noch 4,17 Prozent an BIP kosten.

Die ifo-Forscher sehen daher eine grundsätzliche Abkehr von der Globalisierung nicht als Ausweg für das deutsche Wohlstandsmodell. "Wenn Deutschland als Exportnation sein Geschäftsmodell neu ausrichten will, ist die Nationalisierung von Lieferketten keine Lösung, die der Wirtschaft hilft", sagt Studienautor Florian Dorn. Vielversprechender sei es vielmehr, strategische Partnerschaften und Freihandelsabkommen mit gleichgesinnten Nationen, wie den USA zu schließen. "Das sollte das Ziel der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik sein." 

"China+X"-Strategie

Erheblich verändern würde sich die Rechnung schon, wenn Deutschland und die EU in einem Handelskonflikt mit China geschlossen mit dem Rest des Westens (USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Australien) auftreten würden. Wenn ein westliches Handelsbündnis "koordiniert die Handelskosten für Importe aus China erhöht, wäre China der große Verlierer", notieren die Forscher. Deutschland würde zwar auch in diesem Szenario Wohlstand verlieren, die Verluste von China wären aber ungleich höher. Zudem könnte ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA die deutschen Verluste deutlich abfedern, wenn auch nicht vollständig ausgleichen, rechnen die Ökonomen vor.

Statt einer vollständigen Entkopplung des Handels von China empfehlen die Ökonomen Deutschland und der EU die Entwicklung einer "China+X"-Strategie, also dem verstärkten Umschauen nach alternativen Handelspartnern. "De-Globalisierung macht uns ärmer", sagt Studien-Mitautorin Lisandra Flach. "Unternehmen sollten sich nicht ohne Not von wichtigen Handelspartnern abwenden, sondern parallel auf Vorleistungen aus anderen Ländern setzen, um einseitige und kritische Abhängigkeiten von bestimmten Märkten und autoritären Regimes zu verringern."

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