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Diskussion um Raubtier Von wegen böse: Wölfe können Menschenleben retten – wenn wir es zulassen

Symbolfoto Wölfe: Ein Wolf mit Fleisch im Maul
Wölfe sind die wichtigsten natürlichen Feinde von Rehen und anderem Wild
© IMAGO/Sylvio Dittrich
Wo immer Wölfe auftauchen, beginnt eine Diskussion, wie man sie schnellstmöglich wieder los wird. Dabei sind die Räuber unsere wichtigsten Verbündeten gegen eine wachsende Gefahr.

Ist Ihnen das auch schon einmal aufgefallen? Sie fahren mit dem Auto auf einer Landstraße, und rechts und links stehen Dutzende Rehe auf den Feldern und grasen munter vor sich hin. Am helllichten Tag! Offenbar ist es dem einst scheuen Wild heutzutage egal, ob sie gesehen werden oder nicht. Viel zu fürchten haben Rehe scheinbar nicht. Das verwundert, denn in Deutschland gibt es immer mehr Jäger und Jägerinnen. Knapp 436.000 registriert der Jagdverband aktuell, so viele wie nie.  

Warum ich Ihnen das erzähle? Wenn schon der Mensch seine Rolle als Top-Prädator in Wald und Feld nicht ausfüllen möchte, dann sollte er doch wenigstens dem wichtigsten natürlichen Feind des Rehs freie Hand, beziehungsweise Maul lassen. Doch kaum berichtet ein Spaziergänger in Brandenburg, dass sich ein Wolf auf seinen Dackel gestürzt habe, erheben die Empörten im Land ihre verbale Flinte und legen auf Isegrim (so heißt der Wolf im Märchen) an. 

Wölfe fressen hauptsächlich Rehe – keine Schafe

Und ja, es gibt Wölfe, die Schafe, Rinder und Pferde schwer verletzen oder töten, und ich verstehe das Entsetzen und die Wut der Schäfer und privaten Halter, die auf diese Weise Tiere verlieren. Aber: Die Nahrung von Wölfen besteht nun mal zu über 90 Prozent aus Rehen, Hirschen und Wildschweinen und nicht aus Nutztieren, das belegen die Untersuchungen von Kotproben eindeutig.  

Totes Reh neben Straße
265.000 Wildunfälle gab es 2022, die allermeisten wurden durch Rehe verursacht 
© IMAGO/imageBROKER/Stephan Schulz

Warum ich Ihnen das erzähle: Im vergangenen Jahr meldete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft 265.000Wildunfälle. Rein rechnerisch bedeutet das alle zwei Minuten einen Zusammenstoß zwischen Auto und Wildtier, wobei sich die meisten Wildunfälle im Herbst sowie in den Monaten April und Mai ereignen. Dabei entstanden im Jahr 2022 versicherte Schäden in neuer Rekordhöhe von 950 Millionen Euro, 2600 Menschen wurden teils schwer verletzt und sieben starben. Die häufigsten solcher Unfälle verursachen Rehe, allein in der Saison 2022/23 waren es knapp 210.000, wie der Deutsche Jagdverband meldet. Besonders hoch ist die Zahl der oft verhängnisvollen Kollisionen übrigens in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Dort gibt es, im Gegensatz zu den östlichen Bundesländern, bislang nur vereinzelt Wölfe. Ob das Zufall ist?

Nicht verschwiegen werden soll hier, dass auch Wölfe wirtschaftliche Schäden und menschliches Leid anrichten, allerdings in einer ganz anderen Dimension als ihre bevorzugten Beutetiere. Für 2022 registrierte die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf 1136 Übergriffe auf Nutztiere, meist Schafe, für die deren Besitzer Ausgleichszahlungen in Höhe von 616.000 Euro erhielten. Dazu kamen 18,4 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen zum Schutz von Herden vor hungrigen Wölfen. 

Begegnungen mit dem Menschen sind sehr selten

Menschen haben allerdings – entgegen aller Behauptungen – hierzulande nichts von Wölfen zu fürchten. Denn die Beutegreifer sind im Gegensatz zu Rehen meist sehr scheu, es sei denn sie wurden (wie auf manchen Truppenübungsplätzen) angefüttert. Dass es hin und wieder Begegnungen zwischen Spaziergängern – mit oder ohne Hund – gibt, ist eher zufällig. 

Ließen wir einen natürlichen Bestand an Wölfen im Land zu, könnten sich die Populationen von Rehen (und anderen Wildtieren) wieder auf ein natürliches, niedrigeres Maß einpendeln. Die munteren Rehlein wären vermutlich auch scheuer, wenn sie mehr Jagddruck durch ihre natürlichen Feinde zu befürchten hätten. Und Autofahrer könnten womöglich beruhigter übers Land fahren, ohne jede Minute damit rechnen zu müssen, mit einem Wildtier zu kollidieren.   

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