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Haushalt 2025 Jetzt beginnt das große Feilschen: Wie Lindner die Ampel zum Sparen zwingen will

Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP
Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP
© Action Press
Bis zum 2. Mai mussten die Ampel-Kollegen Finanzminister Christian Lindner ihre Ausgabenwünsche vorlegen. Sparpläne dürften kaum dabei sein. Wird das was mit dem Haushalt 2025? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Inhaltsverzeichnis

Um wieviel Geld geht’s eigentlich?

Das Haushaltsloch ist groß. Es kursieren viele Zahlen, aber eines haben alle Schätzungen gemeinsam: Sie liegen deutlich über jenen 17 Milliarden Euro, die für den Haushalt 2024 zusammengekratzt werden mussten – schon das war politische Schwerstarbeit. Nun klafft sogar eine Lücke von 30 bis 40 Milliarden Euro, heißt es in der Koalition. Geht man von der mittelfristigen Finanzplanung aus, die das Ampel-Kabinett bereits vergangenen Sommer aufgestellt hatte, sieht der Haushalt 2025 Ausgaben in Höhe von 452 Milliarden Euro vor – also 25 Milliarden Euro weniger als 2024 (477 Milliarden Euro). Das wäre immer noch ein stattlicher Betrag, der eingespart werden muss. 

Wie groß das Loch tatsächlich ist, und wie schmerzhaft die Rechenschieberei, hängt von mehreren Faktoren ab. Viele blicken gespannt auf die Steuerschätzung am 16. Mai: Fällt diese besser aus als angenommen, würde folglich mehr Geld zur Verfügung stehen. Auch die recht dürftige, aber sich stabilisierende Konjunktur könnte zur Entspannung beitragen. Ein bisschen Resthoffnung im Konjunktiv.

Ist das nicht eigentlich Regierungsroutine? 

Von außen betrachtet, mag das ganz einfach klingen: das bisschen Haushalt. Läuft doch jedes Jahr gleich ab. Einnahmen buchen, Ausgaben planen – fertig. Geht schließlich nur um Zahlen, wenn auch um solche, deren schier endlose Reihe von Nullen man nicht mal eben in den Handy-Taschenrechner tippt. Ja, es geht um sehr, sehr viel Geld. Und genau deshalb kann so ein Haushalt für eine Regierung beides zugleich sein: Routine und Grenzerfahrung. 

Hinter den Zahlen stehen konkrete Projekte. Was können und wollen SPD, Grüne und FDP sich leisten? Oder, in diesem Jahr die treffendere Frage: Worauf müssen sie verzichten? 

Der Streit ums Geld legt die Konflikte der Koalition offen, die kleinen, und die grundsätzlichen. SPD und Grüne würden sich gerne mehr Spielraum verschaffen, durch Steuererhöhungen, ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse, oder zumindest eine Reform derselben. All das war und ist mit der FDP nicht zu machen. Das Urteil des Verfassungsgerichts im vergangenen Dezember hat zudem dafür gesorgt, dass auch der letzte finanzielle Puffer weg ist, den man sich gleich nach Regierungsantritt herbeigetrickst hatte. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. 

Dieser Haushalt 2025 ist der letzte, den die Ampel-Koalition noch beschließen muss – und zugleich der schwerste.

Warum ist das wieder so schwierig? 

Die einfache Antwort lautet: Die Ampel-Partner machen sich das Leben selbst schwer. Die SPD nervt die FDP beinahe täglich damit, dass man doch bitte an die Schuldenbremse ranmüsse. Die Grünen fordern beharrlich Milliarden für die Kindergrundsicherung, ohne SPD und FDP überzeugend erklären zu können, wie sie auf die Summe kommen. Und die FDP gibt zwar öffentlich den Spar-Streber, möchte aber den Soli für alle abschaffen, was das Haushaltsloch weiter vergrößern würde. 

Alles ganz schön anstrengend, geht das nicht anders?

Die etwas komplexere Antwort lautet: Nein, geht es offenbar nicht. In dieser Koalition muss jeder Partner stets darin erinnern, was er selbst gerne täte, was aber – leider, leider – an den anderen scheitert. Hinzu kommt, dass dieser Haushalt nicht einfach nur ein Haushalt ist. Finanzminister Lindner will mit ihm die von der FDP geforderte "Wirtschaftswende" einleiten. Die deutsche Wirtschaft soll endlich wieder richtig wachsen. Ein Ziel, dem sich auch Vizekanzler Habeck verpflichtet sieht, wenn auch mit anderen Vorstellungen, welcher Weg dorthin der sinnvollste wäre.

Nun müssen die beiden nur noch Olaf Scholz überzeugen. Der Kanzler kann es nicht leiden, wenn jemand die deutsche Wirtschaft schlechtredet. Und doch wird er sich mit Habeck und Lindner einigen müsse. Im schlimmsten Fall droht der Koalitionsbruch. Die Ansage der FDP für diesen Sommer steht: Kein Haushalt ohne Wirtschaftswende!

Wer muss sparen – und wer nicht?  

Prinzipiell müssen alle Ressorts kürzertreten. Erstmals seit langer Zeit sollen die Ressorts dabei nicht nur weniger Geld ausgeben dürfen als ursprünglich mal geplant, sondern auch real weniger als im Vorjahr. Nur einer ist vom Spardiktum ausgenommen: Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD. Stichwort: Zeitenwende. Der hat schon vor einem "Rüstungsstopp” für die Bundeswehr gewarnt, wenn er nicht mindestens 6,5 Milliarden mehr bekommt.  

Prinzipiell haben auch alle anderen Kabinettskollegen viel Verständnis dafür, dass die fetten Jahre vorbei sind – solange nur ihr eigenes Ressort verschont bleibt. Darum wird sich zunächst niemand an die Lindner’schen Vorgaben halten. "Ich wehre mich gegen die Kürzungen. Diese Einsparungen wären ein Fehler", legte Entwicklungsministerin Svenja Schulze, SPD, kürzlich im stern-Interview vor. Das möge kurzfristig Geld zwar sparen, mittelfristig aber Geld kosten, denn: "Am Ende hängt unser Wohlstand davon ab, dass wir im Ausland vernetzt sind."

Schulze ist nicht die einzige Ministerin, deren angemeldeter Finanzbedarf deutlich oberhalb des Lindner-Limits liegt. Im Falle von Annalena Baerbock geht es dem Vernehmen nach sogar um mehr als zwei Milliarden Euro. Statt zuletzt 7,2 soll das Auswärtige Amt im nächsten Jahr nur noch 5,1 Milliarden Euro ausgeben dürfen, so "wenig" wie vor dem Ukraine-Krieg. Allerdings brauche das Land weiterhin viel Unterstützung etwa bei der Abwehr von Cyberattacken. Außerdem kämpfe Deutschland gegen Desinformation und humanitäre Katastrophen von Gaza bis Sudan. Und schließlich brauche man zusätzliches Personal, um die Visa-Vergabe für dringend benötigte ausländische Fachkräfte zu beschleunigen.

Klingt plausibel? Alle anderen Ressorts werden ähnlich gute Gründe und noch mehr edle Motive vorbringen. Ab jetzt wird gefeilscht. Und es gilt das Mikado-Prinzip: Wer zuerst zuckt, verliert.

Wer wird geschröpft? 

Irgendjemand wird bluten müssen. Wer wird’s diesmal sein? Im Zuge der Haushaltsaufstellung für 2024 waren es die Landwirte, denen Agrardiesel-Subventionen gestrichen werden sollten. Nach ausgiebigen Protesten lenkte die Regierung ein und zog geplante Kürzungen teilweise zurück. Das grundsätzliche Problem blieb: SPD und Grüne wollen die finanziellen Spielräume durch neue Schulden erweitern, die FDP mit dem Geld auskommen, das da ist. Allerdings zeichnet sich ab, dass die Ampel noch in diesem Jahr die sogenannte Konjunkturkomponente anpassen könnte – das wäre eine Teilreform der Schuldenbremse, für die es nicht die Stimmen der Union bedarf. Im Grunde genommen würde der Schuldenspielraum damit wachsen, aber wohl nur marginal: Eine Überarbeitung könnte einen einstelligen Milliardenbetrag bringen, wie zu hören ist. 

Und wie geht’s jetzt weiter? 

Am 3. Juli soll der Haushaltsentwurf durchs Ampel-Kabinett gehen, die erste Lesung im Bundestag findet dann wie immer nach der Sommerpause im September in der Haushaltswoche statt. Zumindest dann, wenn alles nach Plan verläuft. Denn ob sich die Regierung schon im Juli auf einen Etatentwurf verständigen kann, ist keineswegs ausgemacht. 

Melden die Ministerien höhere Ausgabenwünsche beim Finanzminister an, dürften Acht-Augen-Gesprächen die Folge sein: Dann müssten Scholz, Habeck und Lindner mit den jeweiligen Ministerinnen und Ministern persönlich beraten, wo noch Sparpotenzial in den Häusern liegt. Es dürften nicht nur hitzige Gespräche werden, das Format wäre zudem eine logistische Herausforderung. 

Der Kanzler, sein Vize Habeck und Vizevize Lindner müssten mit den Ministern – zwischen Verpflichtungen im In- und Ausland – gemeinsame Termin finden, um Lösungswege auszuloten. Bis zum 3. Juli bleiben noch acht Wochen. Recht turbulente, wie anzunehmen ist. 

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