Anzeige

Zum 100. Geburtstag Fußball ist meine Religion – und der "Kicker" noch immer meine Bibel

Titel des Sportmagazins "Kicker"
Am 14. Juli 1920 startete der "Kicker" als Ein-Mann-Betrieb zunächst in Konstanz mit 25 Abonnenten. Längst ist das Sportmagazin eine Institution im deutschen Fußball.
© Daniel Karmann / Picture Alliance
Das Sportmagazin "Kicker" wird 100 Jahre alt. Längst ist die Fachzeitschrift eine feste Institution in Deutschland. Unser Autor gratuliert mit persönlichen Worten zum besonderen Jubiläum.

"Woher weißt du denn das?"

Immer öfter stelle ich meinen Freunden diese Frage, wenn ich wissen will, woher sie eine bestimmte Information haben. Es schwingt bei mir immer eine gewisse Skepsis mit. Das liegt zum einen an meinem Beruf als Online-Journalist – zum anderen am digitalen Zeitalter, in der Schnelligkeit und Sensation Qualität und Seriosität oftmals schlagen.

Vor allem dann, wenn es um Fußball geht, hege ich meine Zweifel an einigen Quellen. Ich entgegne meistens mit der Frage: "Was schreibt denn der 'Kicker' dazu?" Denn erst, wenn der "Kicker" von einem Trainerwechsel oder Spielertransfer berichtet, ist es – zumindest für mich – Fakt. Kaum einem Sportmedium vertraue ich so sehr, wie dem Magazin mit dem Stammsitz in Nürnberg. Das hat vielerlei Gründe.

Der "Kicker" – Phrasendrescher und die Liebe zum Spiel

Ich weiß gar nicht, wie alt ich genau war, als ich ich anfing, den "Kicker" zu lesen. Ich ging auf jeden Fall noch zur Grundschule. Da schaffte es dieses Sportmagazin, meine Montage zu etwas Besonderem zu machen. Ich wusste: Wenn ich nach der Schule nach Hause komme, wartet das neue Heft auf mich. Ich studierte jede Zeile, jede Meldung, jeden Bericht und jedes Interview. Ich versuchte, alles aufzusaugen. Denn während für einige Menschen Fußball "nur" ein Sport war, war es für mich eine Religion. Und der "Kicker" war meine Bibel.

Durch ihn tauchte ich in eine Welt ab, in der es ausschließlich nur um Fußball ging. Das war nichts für Dilettanten. Uli Hoeneß brachte es in der ARD-Doku "So entsteht das Fußball-Magazin kicker - ein Blick hinter die Kulissen" auf den Punkt: "Es steht eben der Fußball im Zentrum der Berichterstattung. Und es ist ihnen ziemlich wurscht, ob ein Spieler ein goldenes Kalbsteak gegessen hat oder nicht."

Zwar ist Hoeneß' Aussage nicht ganz korrekt, wie "Kicker"-Chefredakteur Jörg Jakob betonte. "Wir haben über Ribérys Goldsteak natürlich berichtet und sogar kommentiert." Die These ist dennoch richtig. Der "Kicker" ist nicht boulevardesk. Er beteiligt sich selten an Spekulationen, sondern setzt auf Seriosität und Fakten.Er lebt getreu dem Motto: "Entscheidend is auf'm Platz."

Genau das ist es, was mich (und offenbar viele andere auch) über Jahre fesselte. Dazu war die Liebe zum Spiel in jedem Wort spürbar. Manchmal übertrieben es die Redakteure auch, wenn der Phrasendrescher ein wenig zu oft zum Einsatz kam oder man über das eine oder andere Wortspiel geteilter Meinung sein kann. In Erinnerung blieben mir da Sätze wie dieser über den ehemaligen Schalke-Torhüter Oliver Reck: "Reck reckte sich vergeblich." Und als der VfB Stuttgart Anfang der 2000er Jahre auf junge Spieler setzte, da machte der Verein "aus der Not eine Jugend".

Die Berichterstattung über Fußball hat sich verändert

Als Leser nahm man solche Wortspiele mit einem müden Lächeln hin. Es war einem im Endeffekt egal. Hauptsache war, dass man seine volle Fußball-Dröhnung bekam. Die lieferte der "Kicker" in gewohnter, grundsachlicher Manier. Ob es die Noten für die Leistungen der Spieler waren, die Analyse des Spiels oder Porträts über Trainer, Verantwortliche oder Spieler. Selten war ich als Leser enttäuscht, meistens einer Meinung.

“Bestes Gefühl seit 2001“ – Twitter-User reagieren mit Häme auf Tönnies Rücktritt

Vor allem aber die Nähe zum Spiel war es, die für mich den "Kicker" ausmachte. In der Ausgabe vom Montag noch mehr als donnerstags, zumindest für mich. "Die wissen, von was die sprechen", war die Botschaft, die bei mir ankam. Das hat sich über die Jahre nicht geändert, auch wenn der Fußball und die Medienlandschaft mit der Welt vor 15 Jahren nicht mehr vergleichbar ist. Die Auflagen von Zeitschriften sinken seit Jahren. Fußballvereine haben sich infolge der Professionalisierung des Geschäfts zu eigenen kleinen Medienunternehmen aufgeschwungen. Dazu kommen unzählige Online-Seiten, Blogs, Social Media.

Und doch hat es der "Kicker" geschafft, seinen Platz in dieser neuen Welt zu finden. Versteht mich nicht falsch: Natürlich konsumiere ich auch genügend andere Sportmedien. Doch ich bin froh, dass der "Kicker" auch nach 100 Jahren noch so lebendig ist – und es geschafft hat, seine Seriosität und seine Liebe zum Spiel auch ins digitale Zeitalter zu transportieren. In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen: Alles Gute! Macht so weiter – und bleibt Euch bitte auch in Zukunft treu.

VG-Wort Pixel