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TV-Kritik zu "Die Flut – Tod am Deich" Leicht vergaloppiert: Habecks "Schimmelreiter" zwischen Mystery und Murks

Andreas Prochaska (Regie), Philine Schmötzer (Rolle Wienke), Anton Spieker (Rolle Iven) und Detlev Buck (Rolle Hauke Haien)
Unter der Regie des preisgekrönten Regisseurs Andreas Prochaska ("Das finstere Tal") entstand das ARD-Mystery-Drama "Hauke Haiens Tod". Die Hauptrollen spielen Anton Spieker und Philine Schmölzer. Von links nach rechts: Andreas Prochaska (Regie), Philine Schmötzer (Rolle Wienke), Anton Spieker (Rolle Iven) und Detlev Buck (Rolle Hauke Haien).
© ARD Foto
"Hauke Haiens Tod" ist der Titel eines Romans, den Vizekanzler Robert Habeck Anfang des Jahrtausends zusammen mit seiner Frau geschrieben hat. Jetzt gibt es den Stoff, sehr frei nach Theodor Storm, als Primetime-Movie – optisch stark, dramaturgisch verweht.

"Du hast ein Aggressionsproblem", sagt Wienke Haien (Philine Schmölzer) an einer Stelle des Films zu ihrem Kompagnon wider Willen, dem anstrengenden Iven (Anton Spieker), der eben noch Türsteher auf dem Kiez war, und nun mit ihr nach Stegebüll gefahren ist, um das große Familienrätsel der Haiens zu lösen. In der Tat ist das eines der Probleme dieses Films – das unablässige Zappeln, Zetern, Schreien von Hauke Haiens "Ziehsohn", aber der Reihe nach.

Fast zehn Jahre lang, von 2000 bis 2009, betätigte sich der heutige Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klima als "freier Schriftsteller", so weist es der Lebenslauf aus. Unter anderem hat er in dieser Zeit zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch einiges an Romanen veröffentlicht, darunter etwa "Unter dem Gully liegt das Meer", "Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf" und eben "Hauke Haiens Tod".

Film basierend auf Robert-Habeck-Buch: Ikonisches Deichdrama im Spiegel aktueller Wetterextreme

Letzteres eine Art Fortsetzung von Theodor Storms "Schimmelreiter", als norddeutsches Mystery-Märchen zwischen historischer Adaption und jetztzeitiger Klimakrise, das ikonische Deichdrama im Spiegel aktueller Wetterextreme. Klingt ambitioniert, und das ist es auch. Nicht zuletzt, weil die Geschichte auch noch versucht, dem alten Schimmel im Vorbeireiten eine postmoderne Fortsetzung seiner Protagonistinnen und Protagonisten in die Satteltaschen zu packen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Tochter des Deichgrafen Hauke Haien (Detlev Buck), die 18-jährige Wienke, die unter einer Autismus-Spektrum-Störung leidet. Als Einzige aus dem Haien-Clan überlebte sie jene verheerende Nordseesturmflut, die ihr Heimatdorf Stegebüll ins Verderben riss. Während ihre Eltern starben, rettete Haiens Ziehsohn Iven sie vor den Fluten. 

Vieles bleibt bei "Die Flut – Tod am Deich" Stückwerk

Jahre später treffen sich Wienke und Iven zufällig in Hamburg wieder. Das Mädchen will unbedingt herausfinden, was damals wirklich passiert ist. Erst sträubt Iven sich, ihr zu helfen, dann steht ein stattliches Sümmchen in Aussicht und er willigt ein. Zurück in Stegebüll trifft sie auf den ehemaligen Bürgermeister Ole Peters (Sascha Geršak), der es überhaupt nicht leiden kann, dass in der Vergangenheit gegraben wird. Und dann ist da auch noch Oles Tochter Ann-Grethe (Janina Stopper), Ivens einstiger Jugendschwarm.

Einiges los also in dieser ambitionierten Geschichte, und wer weiß – würde Iven vor allem in der ersten Hälfte des Films nicht ständig oberhalb der erträglichen Lautstärke agieren, fände man womöglich mit etwas gutem Willen hinein in diesen etwas verquasten Plot. So aber bleibt vieles Stückwerk, fügen sich die einzelnen Ebenen kaum zu einem überzeugenden Ganzen. Mal gibt es charmant bis fragwürdiges Autisten-Augenzwinkern à la "Rain Man", dann wird es Mystery-mysteriös, reihen sich düstere Andeutungen an regnerische Rückblenden.

"Die Flut – Tod am Deich": Man ist kurz davor, zu den Gummistiefeln zu greifen

Optisch haut das Ganze gerade in den weiten Einstellungen wunderbar hin, Kameramann Felix Novo de Oliveira weiß, was er tut. Bei seinen Bildern ist man kurz davor zu den Gummistiefeln zu greifen, um die nächste Wattwanderung zu buchen. Regisseur Andreas Prochaska ("Spuren des Bösen: Schuld") und sein Ensemble mühen sich redlich, allen voran die Österreicherin Philine Schmölzer, die den roten Faden mit nuancenreichem Spiel in Händen hält. 

Dennoch erweist sich "Die Flut – Tod am Deich", vom plakativen Titel her alte "Sat1-Film-Film"-Schule, als Bewegtbild-Pendant zur Ampelkoalition: viele gute Ideen, einige Unentschlossenheiten, die einen chronisch zu laut, die anderen stoisch und leise. Sehr spät findet das Ganze dann doch noch eine Art Rhythmus, erinnert dabei fast ein wenig an "Absolute Giganten" und den Wunsch, es müsse da immer irgendwie Musik sein. Vielleicht wäre das die Lösung gewesen – wenn man die Platte von Tocotronic einfach ein Stündchen früher aufgelegt hätte.

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