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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Auf dem Tennisplatz gescheitert – aber das Labern hat sich rentiert

Micky Beisenherz
Gitarre, Fußballschuhe, Tennisschläger – alles vergebens
© Imago Images
Seine Familie steckte viel Geld in die Ausbildung unseres Kolumnisten. Er zahlte zurück: mit viel Ach und noch mehr Krach.
Von Micky Beisenherz

"Gitte, und dafür hast du jetzt Hunderte Mark ausgegeben?" Meine Omma Lore hat in ihrem Leben häufiger Tränen gelacht, aber an diesem Abend vor vielen Jahren hatte es sie besonders erwischt. Nach vielen Stunden drögen Unterrichts saß ich mit meiner Konzertgitarre bei meiner Großmutter im ersten OG und wollte meine Erfolge präsentieren. Omma und Mama erwarteten wenig – und selbst das vermochte ich noch zu unterbieten! Ja, es mag die Aufregung gewesen sein (kritisches Publikum). Vielmehr aber noch die pure Unfähigkeit, die diesen Auftritt so jämmerlich geraten ließ. Das atonale Gezupfe von "Hänschen klein" war für meine Mutter wie eine künstlerische Bankrotterklärung, ein – ja, da hatte Omma Lore recht – schiefes "Schau mal, in welches vermeintliche Talent hier wieder die Kohle versenkt wurde". Ein Schimpanse mit Wundstarrkrampf hätte virtuos gegen mich gewirkt.

Erst Fußballklub, dann Tennisplatz

Ich war elf Jahre alt, und meiner Mutter wurde klar: Aus dem Kind wird keine Hochbegabung mehr. Sport? Fehlanzeige: Mit sieben wurde ich beim TuS Henrichenburg angemeldet, in der Annahme, ich könnte in die Stollenschuhstapfen meines talentierten großen Bruders treten. Nach dem ersten Training – 1984 hielt man es für eine gute Idee, spielwillige Kinder zunächst einmal zahllose Runden um den Platz laufen zu lassen – verging mir die Lust am Fußball. In den ersten Tagen nach dem frühen Ende meiner Kickerkarriere bat ich meine Oma, wann immer es unten an der Haustür läutete, bloß nicht zu öffnen, denn: "Das ist der Trainer, der kommt, um mich zu holen!"

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Um meinem nicht geringen Nutella- und Chipskonsum etwas entgegenzusetzen, ließ Mama nichts unversucht. So landete ich nach dem Fußball- im Tennisklub. Aufschlag, Vorhand, Rückhand: Ich war auf dem Court so talentiert, wie Boris Becker talentiert ist in allem abseits des Platzes. Gesprächig allerdings, das war ich. So redselig, dass mein Trainer mir nach wenigen Stunden im Beisein der anderen vier Tennisschüler anbot, mir eine ganze D-Mark zu zahlen, wenn ich für die kompletten 45 Minuten bloß die Klappe hielte. Ich kam nicht ansatzweise in die Nähe der Mark. Immerhin gelang mir ein spektakulärer Aufschlag, bei dem der Ball direkt vertikal nach oben schoss und etwa zehn Meter über uns durch das Dachfenster der Tennishalle verschwand.

Gitarre, Fußballschuhe, Tennisschläger: Ein ums andere Mal investierte meine Familie in mich, im festen Glauben, ein Talent, eine Begabung, ach, zumindest ein belastbares Interesse möge sich verfestigen. Es war alles vergebens.

Die Geschichte meiner Eltern wiederholt sich

Und während knapp 40 Jahre später das Keyboard und die Tennissachen schon auf halbem Wege zu meiner Tochter sind, drohe ich, die Geschichte meiner Eltern zu wiederholen: mit einem Kind, dem es an Virtuosität in einigen Disziplinen zu mangeln scheint. Das sich für Prahlereien an Rotarierabenden nicht zu eignen scheint. Welches sich stattdessen in seinem eigenen Kreativitätskosmos musikalisch, sportlich und zeichnerisch auslebt und, nach allem, was ich beurteilen kann: glücklich ist. Und eine angenehme, lustige Person, die den Alten zunehmend verarscht. Was fällt der ein!

Ich gebe ihr demnächst zur ersten Tennisstunde sicherheitshalber einen Euro mit. Sollte sie ihrerseits animiert werden, sich einen zu verdienen, indem sie eine Stunde die Klappe hält – sie ginge so leer aus wie ihr Papa damals. Aber das Labern hat sich für den später durchaus rentiert.

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