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J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich fühle mich in meinem Körper nicht wohl – das hemmt mich

Obwohl Annabelle eigentlich weiß, dass sie gut aussieht, ist sie unzufrieden
Obwohl Annabelle eigentlich weiß, dass sie gut aussieht, ist sie unzufrieden
© ronstik / Getty Images
Annabelle ist hübsch, schlank – und weiß das eigentlich auch. Doch trotzdem ist sie mit ihrem Körper so unglücklich, dass es sie einschränkt. Was kann sie unternehmen?

Liebe Frau Dr. Peirano,

ich fühle mich in meinem Körper nicht wohl. Mal mehr, mal weniger, aber meistens habe ich etwas, was mir nicht gefällt. Das hindert mich sehr daran, mich frei und sicher zu fühlen und auch mal etwas Körperbetontes zu tragen. Ich trage eher weite Sachen, weil ich mich sonst denke, dass alle auf meinen Bauch schauen.

Ich weiß eigentlich, dass ich objektiv gut aussehe, Ich mache viel Sport, trage Kleidergröße 38 (bei 1,75) und ich höre immer mal von Freundinnen, dass ich hübsch bin. Auch mein Freund sagt mir das, aber es fällt mir schwer zu glauben.

Was kann ich tun, um mich wohler und selbstbewusster zu fühlen?

Viele Grüße und Danke

Annabelle T.

Liebe Annabelle T.,

ich höre oft von Frauen, dass Sie mit Ihrem Aussehen nicht zufrieden sind.

Interessant ist die Beobachtung, dass das Selbstbewusstsein einer Frau nicht viel damit zu tun haben muss, wie sie objektiv aussieht. Ich kenne eine sehr attraktive Frau, die Kleidergröße 34/36 trug, die sich Fett absaugen lassen wollte, weil sie unter ihrem Aussehen litt. Viele Frauen jedoch, die normal- bis leicht übergewichtig sind, machen sich kaum Gedanken über Ihr Gewicht oder ihr Aussehen.

Und neulich begegnete mir eine Frau mit sehr runden, weiblichen Kurven, die eine pinke XL-Jogginghose trug mit einer Glitzeraufschrift über ihrem Po, auf der stand: "Pretty Little Things". Sie schwenke ihren Po sehr selbstbewusst und strahlte gute Laune aus. An ihrem Selbstbewusstsein könnten sich viele Menschen ein Beispiel nehmen!

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Bei Ihnen scheint das Problem ebenfalls nicht am Aussehen zu liegen, sondern an Ihrem Inneren: an Gedanken, an Ihrer Einstellung zu sich selbst, an Selbstkritik und Komplexen.

Meistens vermitteln Eltern ihren Kindern, wie attraktiv sie sind. Südländische Familie und Kulturen sind oft ein gutes Beispiel dafür, wie man Selbstbewusstsein erzeugt. Kleine Kinder werden von der ganzen Familie geherzt, geküsst und gedrückt, ihnen wird immer wieder begeistert gesagt, wie entzückend, süß und schön sie sind. Das erzeugt Selbstbewusstsein.

In Deutschland gibt es hingegen viele Eltern, die nicht ausdrücken, dass sie ihre Kinder schön oder süß finden, sondern die eher erwähnen, wenn etwas nicht stimmt ("du hast da Schokolade im Mundwinkel", "dein T-Shirt ist dreckig", "kämm dir mal die Haare"). Dieser Umgang erzeugt natürlich ein Vakuum, was das Selbstwertgefühl betrifft. Es macht unsicher, kein Feedback und keine Anerkennung zu bekommen. Wir alle brauchen Anerkennung und auch eine Spiegelung von außen. Wenn ich nur dann ein Feedback bekomme, wenn etwas nicht in Ordnung ist, kann ich nicht lernen, wie andere mich sehen oder wie gut ich wirklich bin. Lob spornt an und macht stolz. Fehlende Anerkennung oder Kritik beschämt, macht einen klein und unsicher.

Wie war denn das in Ihrer Familie? Was haben Ihre Eltern Ihnen über Ihr Aussehen gesagt? Haben Sie das Gefühl bekommen, dass Ihre Eltern Sie schön fanden und Ihr Aussehen liebten?

Wie hat Ihre Mutter als weibliches Vorbild sich denn in Ihrem eigenen Körper gefühlt? Hat sie sich selbstbewusst bewegt und auch etwas von ihrem Körper gezeigt oder betont, oder hat sie an sich selbst herumgemäkelt (und z.B. ständig Diäten gemacht?). Und wie hat sich Ihr Vater Ihrer Mutter gegenüber verhalten - fand er Sie schön oder spielte das Aussehen in deren Beziehung keine Rolle? Oder wurde Ihre Mutter sogar von ihm abgewertet, weil er sie z.B. zu dick fand?

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entwicklung des Selbstbewusstseins ist die Schule und die Pubertät, bzw. schon die Vorpubertät. In jeder Klasse oder Jahrgangsstufe gibt es Mädchen, die bei den Jungs besonders beliebt sind und im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Und es gibt Mädchen, die aufgrund Ihres Aussehens geärgert oder sogar gemobbt werden. Und einige, die irgendwo dazwischen stehen. Manche Mädchen mussten Erfahrungen machen, die das Selbstwertgefühl nachhaltig zerstören, z.B. sexueller Missbrauch oder eine Vergewaltigung.

Welche Rolle hatten Sie in Ihrer Klasse? Waren Sie beliebt, haben Sie Komplimente bekommen?

Und natürlich gibt es eine starke Wechselwirkung zwischen positivem Feedback und selbstbewusstem Verhalten. Ein Beispiel ist das Singen: Wenn ich singe und dafür verspottet werde, werde ich unsicher und leiser und treffen keinen Ton mehr, weil ich Angst habe, wieder ausgelacht zu werden. Wenn ich aber singe und alle applaudieren mir, singe ich sicherer, lauter und mit mehr Ausdruck, weil ich weiß, dass die anderen mir gerne zuhören. Und dadurch bekomme ich wieder mehr Lob…

Beim Aussehen ist es das Gleiche: Wenn ich weiß, dass die anderen mich attraktiv finden, traue ich mir, mich zu zeigen und locker auf andere zuzugehen. Das wirkt sehr anziehend. Wenn ich aber gehemmt und verunsichert bin, komme ich bei anderen nicht so gut an, wie ich könnte.

Ich gehe mal davon aus, dass Sie wenig positiven Zuspruch in Ihrer Vergangenheit bekommen haben. Und dass Sie jetzt mit sich so umgehen, wie andere früher mit Ihnen umgegangen sind: Sie sagen sich selbst nichts Nettes, sondern prüfen sich kritisch auf Fehler. Dadurch werden Sie unsicher und verspannt und wirken nicht so frei und locker, wie Sie gerne würden. Was sagen Sie sich eigentlich, wenn Sie in den Spiegel gucken? Hören Sie doch einmal genau hin und schreiben es auf.

Wie wäre es, wenn Sie anfangen, anders mit sich zu reden und sich jedesmal etwas Freundliches sagen, wenn Sie sich im Spiegel sehen? Wenn Sie sich bewusst machen, was Ihre Stärken sind und diese Stärken bewusst im Spiegel beachten und sich dafür ein Kompliment machen? Sie könnten sich überlegen, wie Sie Ihre Stärken herausstreichen können (z.B. Augen-Make-Up bei schönen Augen, Beine zeigen). Also eher positives herausstreichen, statt sich auf die (vermeintlichen) Nachteile zu konzentrieren.

Durch liebevolle Berührung wird auch Selbstbewusstsein und Selbstliebe erzeugt. Hier könnten Sie sich sorgfältig eincremen oder massieren, sich mal eine Massage leisten, bei Zärtlichkeiten und Sex mit Ihrem Freund immer wieder auf die positiven Seiten Ihres Körpers achten.

Vielen Frauen hilft es auch, tanzen zu gehen und sich sinnlich zu bewegen. Es wäre bestimmt hilfreich, wenn Sie mal nachdenken, wodurch Sie sich mal zeitweise besser in Ihrem Körper gefühlt haben und das häufiger zu tun. Es wird bestimmt nicht von heute auf morgen zu einer Änderung kommen. Schließlich haben Sie das Probleme ja auch schon seit vielen Jahren. Aber wenn Sie Ihre Einstellung zu sich ändern und sich mehr Beachtung und Liebe schenken, werden Sie merken, dass es Früchte trägt.

Herzliche Grüße,

Julia Peirano

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