Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, befürchtet eine Eskalation der propalästinensischen Proteste an Hochschulen. "Eine antisemitische Grundhaltung ist leider weitverbreitet und kann sehr schnell zu einer Eskalation führen", sagte Klein der Rheinischen Post. Es seien jedoch "nicht die Dimensionen erreicht, die in den USA zu beklagen sind". Klein beobachtet nach eigenen Worten "mit großer Sorge an den deutschen Hochschulen eine aggressive antiisraelische Stimmung, die auch antisemitisch motiviert ist".

Klein fügte hinzu: "Ich höre immer wieder von völlig inakzeptablen Fällen, bei denen jüdische Studierende für das verantwortlich gemacht werden, was die israelische Armee tut." Jüdinnen und Juden würden in Kollektivhaft genommen und etwa nur dann in Hörsäle oder Seminarräume gelassen, wenn sie das militärische Vorgehen verurteilten. "Viele trauen sich dadurch nicht mehr an die Uni oder zeigen ihre jüdische Identität nicht mehr so offen."

Stark-Watzinger sieht unerträgliches Ausmaß an Judenhass

Klein forderte die Universitäten auf, von ihrem Hausrecht konsequent Gebrauch machen – "etwa an zentralen Eingängen zum Ausdruck bringen, dass politisches Handeln von Nichtuniversitätsangehörigen nicht geduldet wird". Hausfriedensbruch oder Landfriedensbruch sollte zudem angezeigt werden. Er fügte hinzu: "Ich würde mir wünschen, wenn Fortbildungen zum Umgang mit Rassismus und Antisemitismus für Studierende aller Fachrichtungen zur Pflicht werden, zumindest aber für solche, die auf Lehramt studieren."

Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger forderte ein konsequentes Vorgehen der Universitäten gegen Antisemitismus. "Die massiven Ausschreitungen der vergangenen Tage müssen uns eine Mahnung und Warnung sein", sagte sie der Rheinischen Post. "Hetze gegen Jüdinnen und Juden und die Verherrlichung von Terror müssen wir konsequent bekämpfen." In besonders schweren Fällen müssten Studierende auch exmatrikuliert werden, sagte die FDP-Politikerin. Das "Ausmaß an Israel- und Judenhass an zahlreichen westlichen Universitäten" sei unerträglich.

Zentralrat der Juden befürchtet Verhältnisse wie in den USA

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte vor ähnlichen Verhältnissen an deutschen Hochschulen wie in den USA. "Meine größte Sorge ist, dass die Verhältnisse, die wir den USA sehen, sich auch in Deutschland zeigen werden, da viele Gruppen international vernetzt sind", sagte Schuster der Rheinischen Post.

Auch er sprach von einem extremen Unsicherheitsgefühl unter jüdischen Studierenden, die seit vielen Monaten in hohem Maße von Antisemitismus betroffen seien. "Auch jetzt nach den Ferien gibt es wieder einige Vorfälle, wie zum Beispiel an der Universität in Oldenburg, wo einige Studenten angegriffen wurden, die antisemitische Flugblätter eingesammelt hatten", sagte Schuster.

"Volksverhetzende Aufrufe" an Berliner Humboldt-Universität

An Hochschulen in den USA und anderen Ländern gibt es seit einigen Tagen Studentenproteste gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen. Teilweise soll es bei den Protesten zu antisemitischen Vorfällen gekommen sein.

In Berlin hatte am Freitag eine propalästinensische Protestkundgebung vor der Humboldt-Universität zu einem Polizeieinsatz gesorgt. Dabei war es laut Polizei auch zu "volksverhetzenden Aufrufen" gekommen.