Nach dem Angriff von Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern auf die Reichstagstreppe Ende August ermitteln die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen gegen 40 Verdächtige. Ein Sprecher der Berliner Behörde sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), es gebe wegen des Einsatzes am 29. August jetzt 34 Ermittlungsverfahren, in denen es um insgesamt 40 Tatverdächtige gehe. Da die Ermittlungen noch andauern, könne es sein, dass noch weitere Ermittlungsverfahren gegen bisher unbekannte Tatverdächtige hinzukommen.

In den 34 Verfahren werde allein in 18 Fällen wegen Landfriedensbruchs ermittelt, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. Die Liste weiterer Delikte in den laufenden Ermittlungen ist lang: Es geht um Gefangenen-Befreiung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätliche Angriffe auf sie, besonders schweren Landfriedensbruch, Beleidigung, Bedrohung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Außerdem werde wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz ermittelt, sagte der Polizeisprecher.

"Es ist gut, dass zumindest einige der Beteiligten identifiziert werden konnten und Strafverfahren laufen. Ich hoffe, dass es zu Verurteilungen kommt", sagte Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Allerdings sollten sich die Ermittler "nicht auf einzelne Tatverdächtige beschränken", fügte sie gegenüber dem RedaktionsNetzwerk hinzu. "Wir müssen auf mögliche Vernetzungen gucken." Sie hoffe, dass die Verfahren dazu Erkenntnisse bringen würden.

Diskussion um Sicherheit geht weiter

Am 29. August 2020 waren Demonstranten am Rande einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf eine Treppe des Reichstagsgebäudes gestürmt und bis an den Eingang gelangt. Nach Polizeiangaben überrannten damals etwa 300 bis 400 Demonstrantinnen die Absperrgitter und bauten sich vor dem verglasten Besuchereingang auf. Dabei wurden auch schwarz-weiß-rote Reichsflaggen geschwenkt. Nach einer Weile bekamen die ersten Polizisten Verstärkung und drängten die Menschen schließlich zurück.

Der Vorfall sorgte für allgemeines Entsetzen. Es wurde auch Kritik an den Berliner Behörden laut, die die Aktion nicht von vornherein unterbunden hatten und möglicherweise nicht mit genug Polizisten vor dem Gebäude präsent waren. Die Behörden sagten anschließend, es habe an dem Tag zu viele Einsatzorte gleichzeitig gegeben, kündigten aber an, die Vorgänge genau auszuwerten. Unmittelbar nach dem Vorfall schlugen die SPD- und Unionsfraktion im Bundestag vor, prüfen zu lassen, ob eine Sicherheitszone am Parlament eingerichtet werden könne.

Nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington in der vergangenen Woche hatten die Berliner Sicherheitsbehörden den Schutz des Deutschen Bundestags erhöht. Neben dem Reichstagsgebäude wurden auch einige weitere Gebäude stärker bewacht, darunter auch Vertretungen der Vereinigten Staaten von Amerika. Zahlreiche Politiker äußerten sich in der Debatte um eine stärkere Absicherung von politischen Institutionen in Deutschland jedoch skeptisch. Vertreter von Grünen, Linke und FDP sprachen sich gegen eine Bannmeile aus und plädierten für einen offenen Bundestag.