Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will nach eigenen Angaben weiter international für Einigkeit gegen einen russischen Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg werben. "Es ist immer wieder wichtig, laut zu sagen, dass in diesem Krieg nukleare Waffen nicht eingesetzt werden dürfen", sagte Scholz bei einem Besuch in Lettland. Bei der geplanten Friedenskonferenz in der Schweiz Mitte Juni müsse das eine der klaren Botschaften sein, fügte er hinzu.

Zuvor hatte Russlands Staatschef Wladimir Putin sein Militär angewiesen, einen Einsatz taktischer Atomwaffen zu üben. Daran sollen auch Truppen in Grenznähe zur Ukraine beteiligt sein. Wo genau und wann die erste Militärübung dieser Art seit dem Zerfall der Sowjetunion stattfinden soll, geht aus der Ankündigung der russischen Militärführung nicht hervor.

USA kritisierten angekündigtes russisches Atommanöver

Die USA haben Russland im Zusammenhang mit dem angekündigten Manöver "unverantwortliche Rhetorik" vorgeworfen. Bei der derzeitigen Sicherheitslage seien derartige Ankündigungen "völlig unangemessen", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. Zugleich gebe es derzeit keine Hinweise auf Veränderungen "in den Aufstellungen der strategischen Schlagkraft" Russlands, die USA beobachteten die Lage weiter. Ähnlich äußerte sich auch John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA: "Es ist einfach leichtsinnig und unverantwortlich, wenn der Anführer einer großen Atommacht so mit dem Säbel rasselt, wie er es in Bezug auf den möglichen Einsatz von Atomwaffen tut", sagte Kirby mit Blick auf Putin.

Scholz verwies in Riga darauf, dass auch China in der Vergangenheit Russland dazu angemahnt habe, keine Atomwaffen im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen. Russlands Abhängigkeit von China ist in den vergangenen Jahren infolge westlicher Sanktionen stark gestiegen, der gemeinsame Handel hat sich seit Kriegsbeginn stark ausgeweitet. 

Chinas Präsident Xi Jinping, der sich derzeit zu Staatsbesuchen in Europa aufhält, gilt daher als einer von wenigen Staatschefs, die Einfluss auf Putin ausüben können. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen riefen Xi zuletzt dazu auf, diesen Einfluss zu nutzen und Putin davon zu überzeugen, den Krieg zu beenden.  

Auch die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sagte zu Russlands Atomdrohungen, man dürfe sich davon nicht beeindrucken lassen. Das Ziel der Ankündigung sei, Angst zu verbreiten. "Deswegen sollten wir dem auch nicht nachgeben", sagte Kallas nach dem Treffen mit Scholz. Zugleich bekundete Kallas, einen russischen Atomwaffeneinsatz nicht gänzlich ausschließen zu können. Russland habe in der Vergangenheit "alle möglichen verrückten Dinge getan", sagte sie.

Scholz hatte sich im lettischen Riga mit den Regierungschefs der drei baltischen Staaten getroffen. Dort betonte er die Einigkeit innerhalb der Nato, die Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine ausgelöst habe. Zudem stellte sich Scholz bei dem Besuch hinter die Pläne der EU, mit den Einnahmen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen Waffenkäufe für die Ukraine zu finanzieren.

Scholz will weltweite Waffenkäufe für schnelle Lieferung

Entsprechende Pläne hatte die EU-Kommission bereits vor Monaten angekündigt. Zwar gibt es rechtliche Vorbehalte gegen Forderungen, die etwa 200 Milliarden Euro an russischem Staatsgeld, die in der EU eingefroren sind, komplett zu beschlagnahmen und der Ukraine zu übergeben. Die Zinseinnahmen daraus sind nach Auffassung der Kommission aber ohne rechtliche Probleme nutzbar. Dabei geht es mutmaßlich um eine niedrige einstellige Milliardensumme pro Jahr.

90 Prozent davon müssten dazu dienen, Waffenlieferungen an die Ukraine zu finanzieren, forderte Scholz in Riga. Zudem rief er dazu auf, dass dieses Geld nicht nur für Waffenkäufe innerhalb der EU genutzt werde, sondern für Käufe auf dem gesamten Weltmarkt. "Denn tatsächlich kommt es jetzt darauf an, dass schnell Waffen geliefert werden können und nicht, dass es erst geschieht, wenn eine neue Fabrik gebaut ist", sagte der Kanzler.

Zugleich forderte Scholz zusammen mit den Regierungschefs Litauens, Lettlands und Estlands eine Ausweitung der europäischen Waffenproduktion. Für Munition und Flugabwehrsysteme habe sie bereits begonnen, sagte er.  

Auch Tschechien kauft Munition für Ukraine ein

Die EU hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, der Ukraine bis zum Frühjahr eine Million Artilleriegranaten liefern zu wollen. Dieses Ziel wurde jedoch weit verfehlt, was neben zeitweise unterbrochenen Waffenlieferungen aus den USA zu Munitionsmangel in der ukrainischen Armee und Gebietsverlusten führte. 

Als Alternative arbeitet Tschechien seit Monaten daran, auf dem Weltmarkt bis zu 1,5 Millionen Schuss einzukaufen, um sie der Ukraine zu übergeben. Etwa 20 Länder beteiligen sich an der Finanzierung dieser Initiative, darunter Deutschland mit fast 600 Millionen Euro. Die Lieferungen sollen spätestens im Sommer beginnen. 

Verfolgen Sie alle aktuellen Entwicklungen im russischen Krieg gegen die Ukraine in unserem Liveblog.