EU-Ratschef Charles Michel und der Europarat haben Armenien und Aserbaidschan dazu aufgefordert, die Gefechte in der Konfliktregion Berg-Karabach sofort zu beenden. Michel zeigte sich in einem Tweet am Sonntag besorgt. "Um eine weitere Eskalation zu verhindern, müssen militärische Handlungen dringend aufhören." Der einzige Ausweg sei die unverzügliche Rückkehr zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen.

Europarat-Generalsekretärin Marija Pejcinovic Buric erklärte, beide Länder sollten Verantwortung übernehmen und Zurückhaltung üben. Die Kampfhandlungen sollten unverzüglich eingestellt werden. "Beim Beitritt zum Europarat haben sich beide Länder verpflichtet, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen, und diese Verpflichtung ist strikt einzuhalten." Es sollten keine Anstrengungen gescheut werden, um die Eskalation zu stoppen, sagte Pejcinovic Buric.

In der Konfliktregion Berg-Karabach im Südkaukasus war es Sonntagfrüh zwischen den verfeindeten Ländern Aserbaidschan und Armenien zu schweren Gefechten gekommen. Die Hauptstadt Stepanakert sei beschossen worden, die Menschen sollten sich in Sicherheit bringen, teilten die Behörden in Berg-Karabach am Sonntag mit. Zahlreiche Häuser in Dörfern seien zerstört worden. Es soll auch Verletzte geben. Für die Region werde der Kriegszustand gelten. Alle Volljährigen würden zu den Waffen gerufen, sagte Berg-Karabachs Präsident Araik Harutjunjan in einer Krisensitzung des Regionalparlaments.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas sagte, der Konflikt könne nur auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Die OSZE-Minsk-Gruppe stehe mit ihren drei Co-Vorsitzenden Frankreich, Russland und USA dafür bereit. Die OSZE ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Russland verlangt neue Verhandlungen

Russland drang ebenfalls auf ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen um die Region Berg-Karabach. Außenminister Sergej Lawrow führe intensive Gespräche, um die Konfliktparteien zur Einstellung des Feuers um die Konfliktregion zu bewegen, hieß es aus Moskau. Beide Länder müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sicherte Aserbaidschan Unterstützung zu. "Die türkische Nation steht wie eh und je auch heute mit all ihren Möglichkeiten an der Seite ihrer aserbaidschanischen Geschwister", schrieb Erdoğan auf Twitter. Er habe seine Solidarität auch in einem Telefonat mit Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew ausgedrückt. Erdoğan warf Armenien vor, eine Bedrohung für die Region darzustellen. Er rufe die ganze Welt dazu auf, an der Seite Aserbaidschans zu stehen, schrieb Erdogan.

Armenien und Aserbaidschan gaben sich gegenseitig die Schuld für die Gefechte. Der Beschuss habe am frühen Morgen von aserbaidschanischer Seite begonnen, schrieb der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan auf Facebook. "Die gesamte Verantwortung dafür hat die militärpolitische Führung Aserbaidschans", teilte die Sprecherin des Verteidigungsministeriums von Armenien mit. Baku dementierte dies und betonte, es handele sich bei den Gefechten um eine Gegenoffensive an der Frontlinie. Armenien habe die Kämpfe provoziert.

Auch Zivilisten getötet

Aserbaidschans Militär hatte am Sonntagmorgen Bombenangriffe auf die Region gestartet und dabei auch Ziele in deren Hauptstadt Stepanakert angegriffen. Nach Angaben beider Seiten wurden bei den Kämpfen auch Zivilisten getötet. Das armenische Verteidigungsministerium, das die Rebellen unterstützt, meldete den Abschuss zweier aserbaidschanischer Militärhubschrauber sowie von drei Drohnen.

Aserbaidschans Verteidigungsministerium teilte mit, die Armee habe eine "Gegenoffensive" gestartet, "um Armeniens militärische Aktivitäten zu stoppen und die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen". Das Ministerium erwähnte einen abgeschossenen Hubschrauber. Die Besatzung habe überlebt.

Die beiden Kaukasusstaaten Armenien und Aserbaidschan befinden sich seit fast 30 Jahren in einem Konflikt um die Kontrolle über die Region Berg-Karabach. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach war zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden.

Pro-armenische Rebellen brachten das Gebiet Ende der Achtzigerjahre unter ihre Kontrolle. 1991 rief Berg-Karabach seine Unabhängigkeit aus, international wird das Gebiet jedoch bis heute nicht als eigenständiger Staat anerkannt.