US-Präsident Donald Trump hat wenige Wochen vor der Wahl die konservative Richterin Amy Coney Barrett für die freie Stelle an der Spitze des Obersten Gerichtshofs nominiert. Er sendet damit ein klares Signal an seine christlich-konservative Kernwählerschaft.

Trump gab seine Entscheidung in Washington bekannt. Insider hatten zuvor bereits durchsickern lassen, dass der Präsident die 48-jährige Katholikin für das Amt bevorzugt.

Im konservativen Lager und bei der religiösen Rechten wird Barrett teilweise wie eine Heldin verehrt. Die siebenfache Mutter, die unter anderem zwei adoptierte Kinder aus Haiti und einen Sohn mit Down-Syndrom hat, ist eine strikte Abtreibungsgegnerin.

Es gilt als wahrscheinlich, dass Barrett die Nachfolge der jüngst verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg an der Spitze des Supreme Courts antreten wird. Der Senat muss ihre Nominierung zwar noch bestätigen, aber es sieht nicht danach aus, als gäbe es in den Reihen der Republikaner genug Abweichler, um ihre Ernennung zu gefährden.

Schon in den kommenden Wochen wollen die Republikaner im Senat über Trumps Wunschkandidatin abstimmen. Das teilte deren Mehrheitsführer Mitch McConnell unmittelbar nach der Nominierung mit. Trump hätte mit Amy Coney Barrett "keine bessere Entscheidung" treffen können, sagte McConnell. Er freue sich darauf, Barrett nächste Woche zu treffen.

US-Präsident Trump selbst kündigte an, er sei sicher, dass die Abstimmung "extrem unkontrovers" ablaufen und Barrett "sehr schnell" für das Amt bestätigt werde. Damit würde das höchste Gericht der USA für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, eine konservative Mehrheit von 6:3 Sitzen haben. Das dürfte die Rechtsprechung in vielen zentralen Fragen deutlich nach rechts verschieben.

Donald Trump wäre das genehm. Er hat in den vergangenen Wochen immer wieder Zweifel gesät, dass er im Falle einer Wahlniederlage friedlich das Feld räumen würde. Kritiker fürchten nun, dass der Präsident versuchen könnte, seinen Machterhalt mit der Rückendeckung des Verfassungsgerichts zu sichern. Viele halten das für ein Albtraumszenario, das die Demokratie in den USA gefährdet.

Liberale fürchten einen Rückschritt bei Frauenrechten

Barrett ist zurzeit noch Richterin an einem Bundesgericht in Chicago. Die Rechten im Land feiern die fromme Katholikin seit Langem als ideologische Erbin des konservativen Verfassungsrichters Antonin Scalia, der 2016 starb. Barrett war früher dessen Assistentin. Sie steht damit im starken Kontrast zur jüngst verstorbenen Ruth Bader Ginsburg, die als liberale Ikone in den USA Rechtsgeschichte geschrieben hat.

Liberale monieren bereits, dass Barretts juristische Ansichten zu sehr von ihrem Glauben beeinflusst seien. Sie sorgen sich, dass Barrett das hart erkämpfte Recht auf Abtreibung aushöhlen könnte.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden warnte zudem, dass Barretts Nominierung eine Gefahr für das US-amerikanische Gesundheitssystem darstelle. Er begründete das damit, dass Barrett in der Vergangenheit die juristische Argumentation kritisiert hat, mit der das Oberste Gericht der USA einst die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama bestätigt hatte. Mit der Nominierung Barretts habe Präsident Donald Trump "die Gesundheitsversorgung der Amerikaner erneut ins Visier genommen".

Der demokratische Minderheitsführer im Senat Chuck Schumer sagte: "Wenn die Amerikaner mehr über Barretts Ansichten erfahren, wird sie sehr unpopulär werden." Er hoffe, dass sie dann ihre republikanischen Senatoren anrufen und sie auffordern, nicht für Barrett zu stimmen.

Amy Barrett selbst versucht, derartige Spekulationen auszuräumen. Sie werde sich in ihrer Arbeitsweise an ihrem Mentor Antonin Scalia orientieren, Scalias "juristische Philosophie ist auch die meine", sagte Barrett am Samstag in ihrer Nominierungsansprache, die im Fernsehen übertragen und auf sozialen Medien als eine der besten aller Zeiten gepriesen wurde. "Richter müssen das Gesetz anwenden, wie es geschrieben steht. Richter sind keine politischen Entscheidungsträger."

Weiter versicherte Barrett, dass sie sich ihrer Vorgänger am Supreme Court bewusst sei und dass sie hohen Respekt vor den Verdiensten Ginsburgs habe. Diese habe sich mit all ihrer Kraft für Frauenrechte stark gemacht "und dafür hat sie die Bewunderung von Frauen im ganzen Land geerntet", sagte Barrett.