Aus Sorge um die Sicherheit der Geretteten an Bord hat die Ocean Viking den Notstand ausgerufen. Die Situation auf dem Schiff habe sich derart zugespitzt, dass die Sicherheit der 180 Geretteten an Bord und der Besatzung nicht mehr gewährleistet werden könne, teilte die Hilfsorganisation SOS Méditerranée mit. Die Ocean Viking ist seit Tagen mit den aus Seenot geretteten Flüchtenden auf dem Mittelmeer unterwegs.

"Auf dem Schiff warten mehr als die Hälfte der Geretteten seit über einer Woche verzweifelt auf einen sicheren Ort", sagte Verena Papke, Geschäftsführerin von SOS Méditerranée Deutschland. In den vergangenen Tagen hätten die Behörden in Italien und Malta alle Anfragen nach einem Anlegen in einem ihrer Mittelmeerhäfen abgelehnt, heißt es weiter in der Mitteilung.

Viele der Überlebenden litten unter Depressionen

In den vergangenen 24 Stunden habe es an Bord sechs Suizidversuche gegeben. Weitere 44 Menschen hätten den Angaben zufolge die Absicht geäußert, sich selbst und anderen Schaden zuzufügen. Am Donnerstag seien zwei Männer über Bord gesprungen und dann vom Rettungsteam der Ocean Viking wieder geborgen worden. Tags darauf habe ein Mann versucht, sich zu erhängen. Viele der Überlebenden befänden sich in großer seelischer Not und litten unter Depressionen. Es gebe Streit und auch körperliche Auseinandersetzungen.

Die Ausrufung des Notstands an Bord sei "beispiellos in der fünfjährigen Geschichte von SOS Méditerranée". Die Organisation sehe sich aber "durch die rapide Verschlechterung des psychischen Zustands einiger der Überlebenden an Bord dazu gezwungen".

EU-Staaten sollen Lösungen für die Flüchtlinge finden

Unter den Flüchtenden, die die Helferinnen und Helfer zwischen dem 25. und 30. Juni aus dem Meer gerettet haben, seien auch 25 Minderjährige. Die Organisation appellierte an alle EU-Staaten, eine Lösung für die Überlebenden an Bord der Ocean Viking zu finden. Besonders die Bundesregierung sei jetzt in der Verantwortung, im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf eine Lösung hinzuwirken.

Länder wie Italien und Malta lehnen inzwischen die Aufnahme geretteter Flüchtlinge vielfach ab. Sie fordern die Solidarität der übrigen EU-Staaten bei der Verteilung der Geflüchteten ein. Bisher sind alle Versuche, zu einer gerechten Verteilung innerhalb Europas zu gelangen, gescheitert. Erst Mitte Juni hatte die Ocean Viking wieder ihre Seenotrettungseinsätze im Mittelmeer wieder aufgenommen. Wegen der Coronavirus-Pandemie hatte die Schiffscrew drei Monate pausiert.

Zahlreiche Menschen versuchen immer wieder in seeuntüchtigen Booten von Afrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Dabei ertranken im vergangenen Jahr nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 1.283 Menschen. In den vergangenen fünf Jahren gab es insgesamt mehr als 19.000 Tote.