Tatsächlich, eine selbstkritische und selbstbewusste Debatte unter Ostdeutschen ist an der Zeit, 30 Jahre nach Friedlicher Revolution und deutscher Vereinigung. Aus diesem Grund habe ich die Diskussion um Bürgerrechtler, die kürzlich in der ZEIT geführt wurde, mit Neugierde gelesen (Ausgabe Nr. 23/20 und 25/20). Ein Riss gehe durch den Osten. Natürlich sei der Westen, vor allem, Schuld daran und, ein wenig, auch die elitären Bürgerrechtler. Wie vertraut, wie bequem.

Dass nicht alle Ostdeutschen mit den gleichen Gefühlen auf die Ereignisse von 1989/90 blicken, ist erklärlich. Nicht alle Ossis können sich als Sieger der Geschichte empfinden. Es gibt ja nicht nur diejenigen, die sich mit Intelligenz oder Anpassung in der Konkurrenzwirtschaft und der offenen Gesellschaft behauptet haben. Es gibt auch "Fußkranke des Fortschritts", die auf bittere Weise unter die Räder geraten sind. Deren Forderungen und Vorwürfe hat demokratische Politik verdammt ernst zu nehmen, ohne (wieder) Wunder zu versprechen! Die Spaltungen allerdings sind nicht nur ostdeutscher Art und können deshalb auch nicht nur ostdeutsch gelöst werden. Worüber wir aber endlich und freimütig miteinander sprechen sollten, das sind ein paar durchaus unangenehme Erinnerungen und Einsichten.