Verlangen wir zu viel?

Die Bürden der Generation Corona

Österreich
26.09.2020 18:55

Die Pandemie ist für keine Altersgruppe leicht - auch nicht für die Jungen. Es gibt kaum Jobs, dafür eine Lawine an einschränkenden Regeln. Und dann wäre da noch der nicht besonders schmeichelhafte Ruf als Superspreader. Verlangen wir dieser Generation zu viel ab? Trendforscher Tristan Horx gibt Antworten.

„Krone“: Am Anfang der Krise stand der Schutz der Alten auch für Junge an oberster Stelle. Jetzt hat man ein bisschen das Gefühl, dass einige darauf pfeifen und lieber feiern wollen. Wie lässt sich dieser Wandel erklären?
Tristan Horx: In der ersten Lockdown-Phase haben sich die Jungen sehr gut an die Regeln gehalten. Was sich aber quer durch alle Gesellschaftsschichten zieht, ist eine allgemeine Ermüdung gegenüber dem Corona-Thema. Man hat sich zusammengerissen, um die Krise in den Griff zu bekommen. Die Welt hat sich dann langsam wieder geöffnet, und wir durften wieder leben. Für die Jungen war der Lockdown ein Trauma - und in dieses Trauma rutschen sie jetzt zurück. Das überfordert viele. Und die zurückerlangte Freiheit wegen ein paar Idioten aufgeben, das wollen viele eben nicht mehr.

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Für die Jungen war der Lockdown ein Trauma – und in dieses Trauma rutschen sie jetzt zurück. Das überfordert viele.

Tristan Horx

Spricht man von Superspreadern, ist – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Statistik – meistens von den Jungen die Rede. Das ist kein schmeichelhafter Ruf ...
Generell muss man sagen, dass Jüngere natürlich einen anderen Lebensstil haben als ältere Generationen: Sie haben viele soziale Kontakte, große Freundesrunden, unter Umständen ist auch mehr Alkohol im Spiel und mehr Austausch von Körperflüssigkeiten. Keine Gesellschaftsgruppe hat Lust auf Einschränkungen, aber aufgrund ihres Lebensstils neigen Junge mehr dazu, in der „neuen Normalität“ zu Superspreadern zu werden.

Das spricht jetzt nicht gerade für die Jungen?
Die Fingerzeig-Mentalität und Beschuldigung der Jungen führt automatisch zu einer Abwehrreaktion. Das war übrigens in der Klimadebatte nichts anderes. Da haben die Jungen auf die Alten gezeigt, und da gab’s dann dieselbe Abwehrhaltung, nur eben von der Generation 60 plus. Sinnvoller wäre es, in den Dialog zu treten und zu sagen: Diese Freiheiten müssen wir – auch in der Krisenzeit – den Jungen zugestehen. Wir befürchten ja auch, dass die 22-Uhr-Sperrstunde tendenziell Privatpartys fördert, anstatt Treffen einzudämmen. Menschen brauchen ein Ventil. Und die Bedürfnisse der Jugendlichen zu ignorieren ist sicherlich der falsche Weg. Wobei ich das Fehlverhalten der Jungen nicht schönreden möchte – aber die Problematik ist nicht einseitig. Die Dynamik des Mit-dem-Finger-Zeigens und das mangelnde Verständnis in der Gesellschaft verstärken das Verhalten der Jungen.

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In der Coronakrise wird nun nach einem Schuldigen gesucht. Die Gesellschaft zeigt mit dem Finger auf die Jungen als Superspreader und ruft so eine Abwehrhaltung bei jungen Leuten hervor.

Tristan Horx

Neben ihrem eingeschränkten Freizeitleben sieht es für Maturanten und fertig ausgebildete Lehrlinge auf dem Arbeitsmarkt trist aus.
Unternehmen setzen derzeit auf Altbewährtes und versuchen, irgendwie durch die Krise zu kommen. Schon vor Corona wurde von den Jungen als „Generation unbezahltes Praktikum“ gesprochen. Jetzt gibt es gar keine Praktika mehr. Gut ausgebildet, aber keine Chance auf Berufserfahrung oder Berufseinstieg – das klingt schlecht. Aber: Denken wir ein paar Jahre weiter. Die IT-Branche ist derzeit eine der wenigen Sparten, die wachsen. Wenn sich die Krise auspendelt und der Arbeitsmarkt digitaler wird – erste Schritte gibt es ja bereits –, ist die Zeit der jungen Generation gekommen. Dann werden Firmen genau jene Leute wollen, die digital versiert sind. Wichtig ist es für die Jungen, ihren Wert zu kennen und dementsprechend Entlohnung zu fordern. Endlose unbezahlte Praktika und miese Löhne darf es nicht mehr geben.

Wie wird die künftige Arbeitswelt für Junge nach der ausschauen?
Die Anforderungen und Wünsche, die junge Menschen schon länger stellen, werden erhört: Home-Office, projektbezogenes Arbeiten und flexible Arbeitszeiten statt stupides Absitzen von Stunden – all das wird der Markt hergeben.

Welchen Rat würden Sie Jungen geben, welche Botschaft an die Alten richten?
Den Jungen würde ich sagen: Haltet durch. Eure beruflichen Fähigkeiten werden in Zukunft umso wichtiger. Die älteren Generationen würde ich bitten: Eure Weisheit und Besonnenheit, die mit dem Alter kommt, könnte man auch dazu nützen, sich in die Lebenssituation der Jungen hineinzuversetzen.

Alexandra Halouska, Kronen Zeitung

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