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Tourismus Warum Reisen nicht noch mehr zum Luxusgut werden darf

Familie am Strand
Der Strandurlaub in diesem Sommer wird an vielen Orten in Europa deutlich teurer
© pixdeluxe / Getty Images
Reisen als Luxusgut? Etwa jeder Fünfte kann sich keinen Urlaub leisten. Die steigenden Preise für Flug und Hotel grenzen vor allem Alleinerziehende und Familien aus. Das darf nicht sein. 

Urlaub, das war für mich als Kind genau ein Szenario: ein alter Wohnwagen in einem kleinen Ort an der Nordsee, umgeben von Wildwuchs, eine Terrasse aus morschem Holz, auf dem drei bunt zusammengewürfelte Stühle und ein Klapptisch stehen. Und natürlich der Blick auf die Dünen in die eine und direkt auf den Esstisch im Wohnwagen unserer Nachbarn auf der anderen Seite. Jeden Sommer fuhr meine Mutter mit meinem kleinen Bruder, unserem Hund und mir an genau den gleichen Ort. Eben, weil mehr einfach nicht drin war. Und ich habe alles daran geliebt. Das quirlige Treiben auf dem Campingplatz, den abrisswürdigen Camper, den man heute vielleicht liebevoll als Vintage bezeichnen würde – und natürlich die Zeit am Meer. 

Und auch wenn es keine großen Reisen waren, wir nicht das Privileg vieler Kinder hatten, die Welt zu erkunden, weiß ich heute: Wir hatten Glück! Denn viele Alleinerziehende können sich inzwischen gar keinen Urlaub leisten – Tendenz steigend, Jahr für Jahr. Die hohen Preise für Bahn, Flug und Unterkunft sowie rekordverdächtige Lebenshaltungskosten lassen immer mehr Urlaubswillige mit ihrem unerfüllten Fernweh zurück. Damit werden vielen Menschen – vor allem den jungen unter uns – wertvolle Möglichkeiten genommen. 

Aber zurück zu den Zahlen: Laut aktuellen Eurostat-Daten kann sich jeder Fünfte in Deutschland keinen einwöchigen Urlaub leisten. Schon jetzt entwickelt sich Reisen also zunehmend zum Luxusgut. Und wie immer sind die Leidtragenden diejenigen, die wohl am wenigsten für die Ursache können: Kinder. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes sind Alleinerziehende mit 43,2 Prozent am meisten betroffen, gefolgt von Familien mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern (31,3 Prozent). Das bedeutet, durch die steigenden Preise grenzen wir nicht nur die sozial Schwächsten, sondern vor allem die Jüngsten unter uns aus. Statt ihren Horizont zu erweitern, verbringen sie ihre Sommer auf Balkonien.

Warum wir alle Urlaub brauchen

Klar kann auch ein Sommer in der Heimat schön sein – und zwar für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Aber sollte nicht jedem von uns auch ab und zu mal eine Auszeit vom Alltag vergönnt sein? Es muss nicht gleich das Luxushotel auf Ibiza sein oder eine Fernreise nach Australien oder Afrika,aber ein kleiner Ausflug in eine andere Welt hat so viele positive Effekte auf uns, dass er eigentlich ein Menschenrecht sein sollte. (Man wird ja träumen dürfen). Die Kluft zwischen Arm und Reich ist schon im Alltag so deutlich spürbar und bereitet vor allem denjenigen Sorgen, die nicht viel auf dem Konto haben. Wer sich den Urlaub hart ersparen muss, der hat ihn im Zweifel sogar viel nötiger als diejenigen, die spontan einen Flieger in die USA buchen.

Das Ganze hat also auch eine gesellschaftliche Dimension. Wer reist, der öffnet seinen Blick für neue Perspektiven und Kulturen, wird nachweislich toleranter und offener für andere Meinungen und Ansichten. Etwas, das wir in Tagen wie diesen mehr gebrauchen können als eine weitere Debatte, die von Geld getrieben ist. Wenn wir diejenigen vom Sommerurlaub ausschließen, die Tag für Tag am Wohlstand unseres Landes arbeiten, dann steigern wir nur die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Steigende Preise für Flüge und Eintrittsgebühren für Reiseziele sind deshalb zwar ein theoretisch gutes Mittel gegen den Massentourismus, aber sie sorgen am Ende vor allem dafür, dass der Zugang zum Urlaub etwas wird, das einer immer kleiner werdenden Gruppe vorbehalten ist. 

Reisen muss kein Luxusgut sein

Zugegeben, das Problem ist kein Neues, es gab schon immer Menschen, die sich den Urlaub nicht leisten können. Aber die Zahl der Betroffenen steigt inzwischen – und das ist für die Branche ein besorgniserregendes Signal. Im vergangenen Jahr gab es ein Minus bei reisenden Familien. Und weil die Zahlen der Buchenden sinken, während die Umsätze im Tourismus steigen, wird jetzt eine Preisgrenze diskutiert. Das heißt, eine Obergrenze für Flugpreise und Pauschalreisen. Das wäre ein erster Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Aber lange noch nicht alles, was nötig wäre, damit Reisen nicht zum Luxusgut wird. Wir brauchen unter anderem mehr Fördermodelle für Alleinerziehende, niedrigschwellige Angebote für Kinder und einen bezahlbaren Fernverkehr.

Und natürlich das Bewusstsein darüber, welchen Wert Urlaub haben kann, vor allem für die jüngsten unter uns. In meinem Fall kann ich nur sagen, dass ich nicht der Mensch wäre, der ich heute bin, hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, einmal im Jahr aus dem Alltag auszubrechen, neue Menschen, Gerüche, Geräusche und Eindrücke kennenzulernen und eine Woche in diesem wunderbar schäbigen Camper an der Nordsee zu verbringen. Das war auch Luxus, aber eben auf eine bezahlbare Art und Weise.

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