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Staatsanwaltschaft Nach Angriff auf Franziska Giffey: 74-jähriger Verdächtiger in Psychiatrie eingewiesen

Die Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey im Willy-Brandt-Haus
Sehen Sie im Video: Mann attackiert Franziska Giffey – SPD-Chefin fordert "schnelle Bestrafung".
Videoquelle: RTL

Franziska Giffey war in ein Gespräch mit einer Bibliotheksleiterin vertieft, als ein Unbekannter die SPD-Politikerin von hinten mit einem harten Gegenstand attackierte. Nun ist die Staatsanwaltschaft einem Verdächtigen auf die Schliche gekommen.

Nach dem Angriff auf die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) ist der 74-jährige Tatverdächtige in die Psychiatrie eingewiesen worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin teilte am frühen Mittwochabend im Onlinedienst X mit: "Der Beschluss zur vorläufigen Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde eben antragsgemäß erlassen und in Vollzug gesetzt." Der Mann soll Giffey am Dienstagnachmittag in einer Bibliothek mit einem Beutel mit hartem Inhalt attackiert haben.

Der 74-Jährige ist bei der Polizei bereits bekannt, es gebe Erkenntnisse aus dem Bereich der Hasskriminalität, hieß es weiter. "Die Ermittlungen zu dem Motiv des Beschuldigten, das dem gestrigen Angriff zugrunde liegt, dauern jedoch an." Der Beschuldigte sollte noch am Mittwoch einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Die Wohnung des Mannes wurde durchsucht. 

Giffey war am Dienstagnachmittag in einer Bibliothek im Stadtteil Rudow im Berliner Süden angegriffen worden. Sie habe mit der Leiterin der Bibliothek gesprochen, teilte Giffey am Mittwoch auf Instagram mit. "Auf dieses Gespräch konzentriert habe ich plötzlich von hinten einen harten Schlag an Kopf und Nacken gespürt. Ein Mann hatte mich mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert."

Franziska Giffey ließ sich im Krankenhaus behandeln

Die Polizei hatte in der Nacht zu Mittwoch mitgeteilt, Giffey habe sich "kurzzeitig zur ambulanten Behandlung der Kopf- sowie Nackenschmerzen in ein Krankenhaus begeben". Der Angreifer habe sich nach der Tat entfernt. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei ermittelt. 

Giffey schrieb weiter, die Bibliothek im Bezirk Neukölln sei für sie aus alter politischer Verbundenheit ein sehr besonderer Ort, für den sie sich immer eingesetzt habe. "Dass ich dort einmal angegriffen werden würde, hätte ich nie für möglich gehalten." Und weiter: "Nach dem ersten Schreck kann ich sagen, es geht mir gut." Sie werde ihre Arbeit am Mittwoch unbeirrt fortsetzen. "Dennoch besorgt und erschüttert mich die sich verstärkende 'Freiwildkultur' mit der Menschen, die sich politisch in unserem Land einsetzen und engagieren, immer häufiger vermeintlich gerechtfertigten und hinzunehmenden Angriffen ausgesetzt sind."

Der Tatort liegt in Giffeys Wahlkreis. In Neukölln war sie Bezirksbürgermeisterin, wurde dann Bundesfamilienministerin, nach dem Entzug ihres Doktortitels trat sie 2021 zurück und wechselte wieder zurück in die Landespolitik, wo sie bis 2023 Regierende Bürgermeisterin war.

Berlins Innensenatorin entsetzt über Attacke 

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) äußerte sich entsetzt nach der Attacke auf ihre Parteikollegin. "Ich verurteile den Angriff auf Franziska Giffey und auf andere Politikerinnen und Politiker oder Wahlhelfende, die sich alle für eine streitbare Demokratie einsetzen, auf das Schärfste", schrieb Spranger auf der Plattform X, vormals Twitter. "Die Polizeien der Länder und des Bundes unternehmen alles, um Politikerinnen und Politiker zu schützen. Die Innenministerkonferenz ist sich gestern auf der Sondersitzung einig gewesen, dass die Demokratie effektiver vor Hetze & Falschinformationen bewahrt werden muss. Der strafrechtliche Schutz des Einzelnen vor solchen Angriffen dient zugleich dem Schutz der Demokratie selbst."

Am Dienstag hatten sich die Innenminister in ihrer Sondersitzung für einen besseren Schutz politisch engagierter Menschen und auch für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen. Hintergrund waren die jüngsten Übergriffe auf Politiker und ehrenamtliche Helfer im Wahlkampf zur Europawahl am 9. Juni.

Am Freitag vergangener Woche war der SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen worden. Der Spitzenkandidat für die Europawahl in Sachsen wollte Wahlplakate anbringen, als ihn die Täter überraschend attackierten. Das Landeskriminalamt Sachsen rechnet zumindest einen von ihnen dem rechten Spektrum zu. Kurz vor dem Angriff auf Ecke hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Grünen-Wahlkampfhelfer verletzt.

Grünen-Politikerin bespuckt und bedroht

Am Dienstagabend folgte dann die nächste Attacke in Dresden: Eine 47 Jahre alte Grünen-Politikerin wurde beim Aufhängen von Wahlplakaten von zwei Personen angegriffen. Polizisten stellten kurz darauf eine 24-Jährige und einen 34-Jährigen als Tatverdächtige, wie die Polizeidirektion Dresden mitteilte. Wer die Angegriffene ist, wollte ein Sprecher der Polizei zunächst nicht sagen.

Der männliche Angreifer habe die Politikerin gegen 18.50 Uhr beiseite gestoßen, beleidigt und bedroht, hieß es. Außerdem soll er zwei Wahlplakate heruntergerissen haben. Die 24-jährige Frau kam den Angaben zufolge hinzu und bespuckte die Politikerin, die in Begleitung von Helfern und einem Drehteam war. Die Polizei konnte die beiden in unmittelbarer Nähe des Tatorts stellen. Gegen den 34-jährigen Deutschen werde wegen Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt und gegen die 24-jährige Deutsche wegen Körperverletzung.

Weil die beiden zuvor bei einer Gruppe gestanden haben, aus der heraus der Hitlergruß skandiert worden sein soll, wird außerdem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen sie ermittelt. Beide Verdächtige blieben auf freiem Fuß, wie der Polizeisprecher weiter sagte.

Faeser bezeichnet Übergriff in Dresden als Zäsur

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenministerkonferenz der Länder hatten bei ihrer Videokonferenz am Dienstag ein Ende von Gewalt und Hetze gefordert. Die Ressortchefs verurteilten in ihrem Beschluss "jegliche Angriffe auf politisch engagierte Menschen, die sich für eine gelebte Demokratie in Deutschland einsetzen und dafür höchste Anerkennung, Respekt und Schutz verdienen, auf das Schärfste". Die Schalte war nach der Attacke auf den SPD-Politiker Ecke anberaumt worden.

Faeser bezeichnete den Übergriff auf Ecke am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen" als Zäsur. Sie werde sich bei Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dafür einsetzen, das Strafrecht zu verschärfen. Abgesehen davon brauche es aber auch schnellere Verfahren der Justiz, um Tätern rasch Grenzen aufzuzeigen. Wichtig sei zudem, dass alle Straftaten angezeigt und konsequent verfolgt werden. Die Innenministerinnen und -minister forderten die Justizministerkonferenz ferner zur Prüfung auf, ob "die bewusste Verbreitung von Desinformation mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung oder Gewalteskalation strafwürdiges Unrecht darstellen".

Im vergangenen Jahr war laut Bundesinnenministerium eine erhebliche Zunahme von Straftaten gegen Mandatsträger zu beobachten. Insgesamt seien 2710 solche Straftaten erfasst worden - 53 Prozent mehr als im Vorjahr.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde mehrfach aktualisiert.

mkb / cl DPA

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