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Berliner Charité Haftstrafe für Herzmediziner wegen zweifachem Totschlag

Eingang zur Berliner Charité. Der verurteilte Oberarzt war dort im August 2022 freigestellt worden
Eingang zur Berliner Charité. Der verurteilte Oberarzt war dort im August 2022 freigestellt worden
© Sebastian Gollnow / DPA
Ein anonymer Hinweis brachte die Ermittler die Spur: Der Arzt an der Berliner Charité soll zwei Patientenleben auf dem Gewissen haben. Nun steht das Urteil. Ob es vollstreckt wird? Nicht ganz sicher.

Nach dem Tod zweier Patienten ist ein Oberarzt der Berliner Charité zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Das Landgericht Berlin sprach den 56 Jahre alten Herzmediziner am Freitag des Totschlags in zwei Fällen schuldig. Nach Überzeugung des Gerichts hat der Facharzt für Innere Medizin in den Jahren 2021 und 2022 auf einer kardiologischen Intensivstation einen Patienten und eine Patientin (beide 73) jeweils mit einem überdosierten Narkosemittel getötet. "Wir sind überzeugt, dass es sich um eine gezielte Verkürzung des Lebens und damit eine Tötung handelte", sagte der Vorsitzende Richter Gregor Herb.

Gleichwohl setzte das Gericht den Haftbefehl außer Vollzug, sodass der Arzt nach knapp einem Jahr in Untersuchungshaft zunächst nicht zurück ins Gefängnis musste. Er muss sich zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist. Die Verteidigung kündigte an, Rechtsmittel einzulegen.

Das Gericht blieb mit seinem Urteil deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte wegen Mordes in zwei Fällen eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Mediziner beantragt. Zudem forderte Staatsanwalt Martin Knispel, ein lebenslanges Berufsverbot gegen den 56-Jährigen auszusprechen. Das Gericht sah jedoch eine "grundsätzliche Zugewandtheit" des Mediziners für seine Patienten und deren Angehörige.

Urteil ist nicht rechtskräftig

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verteidigung des Mediziners hatte auf Freispruch plädiert. Das Verhalten ihres Mandanten sei nicht die Ursache für den Tod der jeweils 73 Jahre alten schwerstkranken Menschen gewesen, sagte Rechtsanwältin Ria Halbritter am Freitag in ihrem Plädoyer. Beide Patienten hätten sich in einer "aktiven Sterbephase" befunden. In so einer Situation sei es erlaubt, auf eine palliative Therapie umzustellen.  

Der Mediziner hatte die Vorwürfe im Prozess zurückgewiesen. Er habe beiden zur Leidensminderung ein Sedierungsmittel verabreicht. Das sei nicht in den Mengen erfolgt, wie sie in der Anklage genannt werden. Er sei sich sicher, "das Leben der Patienten nicht verkürzt zu haben", sagte der Arzt. Vorzuwerfen habe er sich nur, in den angeklagten Fällen die Gabe von Propofol nicht dokumentiert zu haben, erklärte er.

Berliner Charité stellte Arzt im August 2022 frei

Der Oberarzt war von der Charité im August 2022 freigestellt worden. Im Mai 2023 kam er in Untersuchungshaft. Ins Visier der Ermittler war der 56-Jährige nach einem anonymen Hinweis gekommen. Nach Charité-Angaben war dieser im Rahmen einer Art Whistleblower-System mit Vertrauensanwälten eingegangen. Dorthin können sich Beschäftigte der Klinik wenden, die etwa Ungereimtheiten bemerken. 

Mitangeklagt in dem Fall war eine Krankenschwester wegen Beihilfe zum Totschlag in einem Fall. Gegen die 39-Jährige hatte das Gericht das Verfahren nach viermonatigem Prozess gegen eine Geldauflage von 1500 Euro eingestellt. In ihrem Fall komme kein vorsätzliches Handeln in Betracht, begründete das Gericht damals.

cl DPA

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