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Nazi-Vergleich Baerbocks Zoff mit Bibi – Clash mit Ansage

Annalena Baerbock beim Treffen mit Benjamin Netanjahu in Israel
Wiedersehen macht keine Freude: Beim Treffen zwischen Benjamin Netanjahu und Annalena Baerbock soll es zu einem heftigen Streit gekommen sein.
© Thomas Köhler / Imago Images
Israels Premier Benjamin Netanjahu soll die deutsche Außenministerin mit einem Nazi-Vergleich düpiert haben. Was geschah im Büro des Ministerpräsidenten?

Aus den guten alten Anfangstagen des Internets stammt Godwin’s Law. Dieses Gesetz, benannt nach einem amerikanischen Autor, besagt, dass sich mit zunehmender Dauer einer Diskussion, die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen Nazi-Vergleich zieht, 100 Prozent annähert. Offenbar lässt sich dieses Gesetz auch auf Streit mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu anwenden. 

Worum es geht? In dieser Woche war Annalena Baerbock zu Besuch in Israel. Es war bereits ihre siebte Reise in die Region allein seit dem Angriff der Hamas vor einem halben Jahr. Zwei Tage nach dem Treffen mit dem Premier veröffentlichte eine Journalistin des israelischen TV-Senders Channel 13 den angeblichen Wortlaut eines Dialogs der beiden Politiker, der einen heftigen Streit dokumentieren soll. 

Warf Baerbock Bibi Fake-Fotos vor? 

Kurz zusammengefasst legte Netanjahu demnach der Deutschen Fotos aus Gaza vor, die dem gängigen Narrativ vom Leiden der Palästinenser widersprachen: Menschen, die ausgelassen am Strand von Gaza baden; Marktstände, die mit frischem Obst und Gemüse beladen sind. Baerbock soll die Echtheit angezweifelt haben, woraufhin Netanjahu ihr vorhielt: "Wir sind nicht wie Nazis", die seinerzeit Fake-Fotos vom angeblich friedvollen Leben in deutschen KZs verbreiteten. 

Zack, Godwin’s Law schlägt zu – wenn es denn so gewesen ist. 

Das Auswärtige Amt dementiert: Teile des Berichts seien falsch und irreführend. Baerbock selbst ist höchst verärgert. "Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, war mit dem Stab des Premierministers in Kontakt und hat klargemacht, was wir von solchen verzerrenden Veröffentlichungen halten", sagte die Grüne am Freitag nach einem Treffen der G7-Amtskollegen auf der italienischen Insel Capri. Und weiter: "Wir berichten nicht aus vertraulichen Runden."

Sie selbst habe im Streit mit Natanjahu überhaupt keinen Fake-Vorwurf erhoben, ist aus diplomatischen Kreisen zu erfahren, sie habe nicht die Authentizität der Bade-Bilder bezweifelt, nur darauf hinweisen wollen, dass es aus anderen Teilen Gazas auch solche Fotos gebe, die eine andere Realität der humanitären Lage der Menschen zeigten. Aber so ist das Wesen eines Nazi-Vergleichs: Wo er einschlägt, wächst kein Gras mehr, stirbt jeder Diskurs.

Warum der Clash ausweichlich war

Führt man sich die Ausgangslage des Treffens vor Augen, lässt sich andererseits eines kaum leugnen: Der Clash war mehr als absehbar, im Grunde war er unausweichlich.   

Baerbock war mit zwei klaren Zielen nach Jerusalem gekommen: Netanjahu von einem Vergeltungsschlag gegen den Iran abzubringen, ihn stattdessen zu „maximaler Zurückhaltung“ zu bewegen, um zu verhindern, dass der gesamte Nahe Osten explodiert. Und zweitens für leichtere Zugänge für humanitäre Hilfslieferungen in den Gaza-Streifen zu werben, woran sich inzwischen auch die Deutschen beteiligen.  

Die Außenministerin sah sich inzwischen regelrecht zum Handeln gezwungen. Immer lauter waren die Vorwürfe gegenüber Deutschland geworden, zu unkritisch mit Israels Regierung zu sein. Die bedingungslose deutsche Solidarität begann außenpolitisches Kapital zu vernichten, in der arabischen Welt, im globalen Süden – und zuhause.  

Baerbock, anfangs noch die glühendste unter den Israelunterstützern, war unter den ersten, die kritischere Töne gegenüber Netanjahus Kriegsführung anschlug. Die mit jeder weiteren Kriegswoche drängendere Worte wählte. Denn dass es zuletzt immer schwieriger wurde, den israelischen Premier nicht nur zu sprechen, sondern auch zu erreichen – Politiker aus der halben Welt können davon berichten, von UN-Generalsekretär António Guterres bis zu US-Präsident Joe Biden.  

Der vielen Ratschläge überdrüssig

Das wiederum hat sehr viel mit Netanjahus eigener Sicht auf die Lage zu tun. Der Premier ist der vielen klugen Ratschläge überdrüssig, die ihn aus aller Herren Länder ereilen. Vorgetragen von Politikern, deren Hauptstädte allesamt gerade nicht von iranischen Drohnen angegriffen werden. Deren Einwohner nicht vom regelmäßigen Luftalarm in Bunker getrieben werden. Die weder Hamas-Raketen noch Hizbullah-Geschosse fürchten müssen. 

Netanjahu hat keinen Blick für die Lage der Zivilisten in Gaza, seine ganze Aufmerksamkeit gilt den verblieben Hamas-Brigaden, die sich in Rafah verschanzt haben. Nichts und niemand und schon gar keine deutsche Außenministerin sollen ihn jetzt davon abhalten, das Thema ein für alle Mal zu beenden. 

Darum endete das Treffen zwischen Baerbock und Netanjahu als Clash mit Nazivergleich. Und wenn Godwin’s Law nicht nur im Netz, sondern auch in der realen Welt gilt, kann es eigentlich nicht mehr lange dauern, bis zum ersten Hitler-Vergleich. 

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