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Schweigegeldprozess Stormy Daniels stellt Donald Trump bloß: die Lehren aus einem denkwürdigen Prozesstag

Zeichnung: Richter Juan Merchan leitet das Verfahren, während Stormy Daniels Fragen der Staatsanwältin beantwortet
Richter Juan Merchan leitet das Verfahren, während Stormy Daniels (re.) Fragen von Staatsanwältin Susan Hoffinger beantwortet. Links sind der frühere US-Präsident Donald Trump und sein Verteidiger Todd Blanche zu sehen.
© Elizabeth Williams / DPA
Die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels erzählte Details zu ihrem sexuellen Kontakt zu Trump. Der wiederum tobte im Gericht und außerhalb – und der Richter ermahnte alle.

"Die Anklage ruft Stormy Daniels auf." Mit diesen Worten begann am Dienstagvormittag die bislang denkwürdigste Zeugenbefragung im Prozess gegen Donald Trump. Im Mittelpunkt stand jene Frau, die kurz vor der Präsidentschaftswahl 2016 eine Zahlung in Höhe von 130.000 US-Dollar erhalten hatte, um über eine mögliche Affäre mit Donald Trump kein Wort zu verlieren.

Was Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt, heutzutage über Trump denkt, offenbarte sie am Nachmittag im Kreuzverhör mit Trumps Verteidigerin Susan Necheles.

"Liege ich richtig, dass Sie Präsident Trump hassen", wollte die Anwältin wissen. 
Stormy Daniels: "Ja."
Necheles: "Sie wollen, dass er ins Gefängnis kommt?"
Daniels: "Ich möchte, dass er zur Verantwortung gezogen wird."

Im Verlauf der knapp fünfstündigen Befragungen durch Anklage und Verteidigung gab Daniels Details zum Geschlechtsverkehr mit Donald Trump preis, der Richter ermahnte alle Seiten, Trump tobte und die Anwälte des früheren Präsidenten versuchten, den Prozess platzen zu lassen. Fünf Lehren aus dem 13. Verhandlungstag.

Stormy Daniels stellt Donald Trump mit Sex-Details bloß

Als sich Trump und Daniels bei einem Golf-Turnier im Jahr 2006 am Lake Tahoe kennenlernten, war er 60 Jahre alt und ein verheirateter Immobilienmogul; sie eine Pornodarstellerin und mit 27 Jahren nicht mal halb so alt. Der Unternehmer lud sie zu einem Abendessen in seine Hotelsuite ein, sagte Daniels vor Gericht aus. Als er die Tür öffnete, habe Trump einen Satin-Pyjama getragen.

Etwa zwei Stunden sollen sich die beiden unterhalten haben. Trump habe von Daniels wissen wollen, ob sie regelmäßig auf Geschlechtskrankheiten getestet werde und ob sie mit den anderen Darstellern auch abseits der Kamera schlafe. Er habe Daniels zudem ein Bild von seiner Ehefrau Melania gezeigt und ihr versichert, sie würden nicht im gleichen Zimmer schlafen. Trump beugte sich in diesem Moment zu seinen Verteidigern im Gerichtssaal rüber und sagte etwas – die New York Times will erkannt haben, dass er die Aussage mit dem Wort "Bullshit" kommentiert habe.

Die heute 45-Jährige gab an, dass sie Trump auf dem Bett vorgefunden hatte, nachdem sie zur Toilette gegangen war. Er habe lediglich noch eine Boxershorts und ein T-Shirt getragen. Daniels erinnerte sich, dass sie dachte: "Was habe ich falsch verstanden, um an diesen Punkt zu kommen?" Trump habe ihr schließlich den Weg versperrt, aber nicht auf eine bedrohliche Art und Weise. Danach hätten die beiden miteinander geschlafen. Sie habe nicht Nein zu Donald Trump gesagt, "weil ich überhaupt nichts gesagt habe". Gleichwohl hätte es ein "Machtungleichgewicht" gegeben. Trump habe kein Kondom getragen, der Geschlechtsverkehr sei schnell vorbei gewesen, sagte Daniels aus. 

Die Verteidigung erhob in diesem Teil der Befragung immer wieder Einspruch, Richter Juan Merchan gab dem meist statt. Doch da waren die Ausführungen über den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten und möglichen nächsten Präsidenten längst in der Welt und liefen weltweit über die Nachrichtenticker und Liveblogs. Donald Trump war bloßgestellt.

Die Trump-Anwälte wollten den Fall platzen lassen

Chefanwalt Todd Blanche war außer sich, als er nach der Mittagspause in den Gerichtssaal zurückkehrte. Richter Juan Merchan hatte die Verhandlung unmittelbar nach den Aussagen von Daniels Sex-Aussagen unterbrochen. Alle im Saal, so schien es, mussten sich danach erstmal sammeln. Blanche argumentierte, viele Aussagen von Daniels seien vorverurteilend. Die Jury bekomme ein Bild von Trump präsentiert, das ein faires Verfahren unmöglich mache. Blanche wollte erreichen, dass der Richter den Prozess als fehlerhaft einstuft, ein solcher "mistrial" hätte zum Abbruch geführt. Die Jury wäre entlassen worden und der gesamte Prozess hätte von vorne beginnen müssen. Das wäre in den kommenden Wochen oder Monaten kaum realistisch.

Schon im Zivilprozess vor einigen Wochen hatten die Trump-Verteidiger mehrfach versucht, den Prozess platzen zu lassen, scheiterten allerdings. Merchan entschied sich für eine Fortsetzung.

Der Richter kritisiert alle: die Staatsanwaltschaft, die Zeugin und den Angeklagten

Der Richter war alles andere als glücklich, wie der Prozesstag am Vormittag gelaufen war. Er stimmte der Verteidigung zu, "dass es Dinge gab, die besser ungesagt geblieben wären" und dass die Zeugin "schwer zu kontrollieren" sei. Er wies die Staatsanwaltschaft an, auf Stormy Daniels einzuwirken. Sie solle die Fragen kurz und knapp beantworten. Zuvor hatte sie zum Teil ausschweifend Anekdoten und Einzelheiten berichtet, die für den Prozess aber kaum Relevanz hatten. Schließlich geht es nicht um die Frage, ob Trump und Daniels Sex hatten, sondern um eine Geldzahlung zehn Jahre später, die Trump falsch verbucht haben soll, um sich im Wahlkampf nicht selbst zu schaden. Merchan ermahnte Staatsanwältin Susan Hoffinger, die Daniels befragte, sie solle nicht so sehr auf Details bei den Aussagen der Zeugin drängen.

Merchan war auch erboßt über das Verhalten von Donald Trump – wieder einmal. Während einer Pause rief er Chefanwalt Blanche zu sich und bemängelte, dass Trump "hörbar fluche". Damit würde er Daniels möglicherweise einschüchtern. Dies geht aus den Protokollen hervor, die das Gericht stets am Abend nach einem Verhandlungstag veröffentlicht. Das Gespräch war im Gerichtssaal selbst nicht zu hören.

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"Ich verstehe, dass Ihr Mandant in diesem Moment verärgert ist", sagte Merchan, "aber er flucht hörbar und schüttelt den Kopf". Blanche versicherte dem Richter, er werde mit Trump sprechen.

Trump tobte schon bevor es losging

Der frühere Präsident war nicht nur während der Verhandlung stinksauer, sondern bereits davor. Auf "Truth Social" beklagte sich Trump in einem Beitrag um 7:30 Uhr morgens, er habe erst kurzfristig erfahren, wer heute als Zeuge vor Gericht aussagen soll. Seine Anwälte hätten keine Zeit zur Vorbereitung gehabt, schrieb Trump, um danach über den "korrupten" Richter zu schimpfen.

Trump hatte in den vergangenen Wochen Zeugen eingeschüchtert und dafür mehrere Geldstrafen von insgesamt 10.000 US-Dollar erhalten. Der Richter drohte ihm sogar mit einem zeitweiligen Aufenthalt im Gefängnis, falls Trump damit nicht aufhören sollte. Nun werden die Namen der Zeugen nicht mehr frühzeitig kommuniziert, um sie besser vor dem Ex-Präsidenten schützen zu können. Seine eigene Rolle blendete Trump in seinem Beitrag aus. Die Nachricht war allerdings nur einige Minuten online, danach wurde sie gelöscht – aus welchen Gründen blieb unklar. 

Die Verteidigung will Stormy Daniels als Lügnerin darstellen

Das oberste Ziel der Verteidigung besteht darin, die Glaubwürdigkeit von Stormy Daniels zu untergraben. Susan Necheles, Trumps Anwältin, wollte der Zeugin nachweisen, dass sie sich in öffentlichen Äußerungen widersprochen habe. Insbesondere ein schriftliches Statement aus dem Jahr 2018 spielte eine wichtige Rolle, in dem Daniels eine Affäre mit Trump abgestritten hatte. Daniels hielt dagegen, dass dieses Statement falsch gewesen sei und sie sich damals aufgrund der von ihr unterschriebenen Verschwiegenheitserklärung nicht anders äußern konnte. 

Während der Befragung durch die Staatsanwaltschaft hatte Daniels ausgesagt, ein Mann habe ihr und ihrer jungen Tochter im Jahr 2011 auf einem Parkplatz aufgelauert. Die Person habe ihr damals gesagt, sie solle sich nicht mehr öffentlich über ihre Begegnung mit Donald Trump im Jahr 2006 äußern. Daniels gab an, dass sie das als Bedrohung empfunden habe. Trump-Anwältin Susan Necheles sprach über einen "vermeintlichen Vorfall". Daniels intervenierte sofort: "Es war kein vermeintlicher Vorfall. Es war ein Vorfall, der tatsächlich passiert ist und ich habe vielen Leuten davon erzählt." Necheles wollte wissen, warum Daniels den Vater ihres Kindes über den Vorfall nicht informiert hatte. Der Vorwurf war eindeutig: Daniels habe den Vorfall frei erfunden.

Als Donald Trump am späten Nachmittag New Yorker Zeit vor die Kameras im Gericht trat, sagte er, es sei ein "großer Tag" gewesen und dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft "in sich zusammenfallen" würden. Diese Sichtweise hält der Realität allerdings kaum Stand. Denn am Donnerstag soll das Kreuzverhör mit Stormy Daniels weitergehen. Auch die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, weitere Fragen stellen zu wollen. Trump muss dann wieder auf der Anklagebank sitzen.

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