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Naher Osten Allerbeste Feinde: Woher rührt Irans Hass auf Israel?

Menschen im Iran verbrennen eine Flagge Israels
Iraner verbrennen im Februar in Teheran eine israelische Flagge. Was viele vergessen: Vor dem Hass war Freundschaft.
© Rouzbeh Fouladi / Imago Images
Der Weg zur Erzfeindschaft ist lang – Israel und der Iran haben ihn zurückgelegt. Selten haben sich zwei Freunde so heftig auseinandergelebt. Wie kam es dazu? Eine kurze Geschichte des Hasses. 

Jahrelang haben sich die Antisemiten in Teheran mit Beifallklatschen begnügt, wann immer die eine oder andere Terrormiliz israelisches Leben bedrohte. Offiziell war der Iran nie beteiligt. Noch nie hatte es das Mullah-Regime gewagt, seinen Erzfeind Israel direkt anzugreifen. Doch im Nahen Osten sagt man niemals nie. 

Was, wenn der Iran ernst macht? Wie sähe ein Angriff aus? Wie würde die Welt reagieren? Samstagnacht am vergangenen Wochenende war sie dann vorüber, die Ära des Konjunktivs.

Die massive iranische Drohnen- und Raketenattacke kam zwar überraschend, war aber letztlich erwartbar, eine Frage der Zeit. Die jüngste Eskalation ist schließlich das Ergebnis eines jahrzehntelangen Zähnefletschens, eines über Generationen kultivierten und staatlich subventionierten Hasses.

Iran und Israel – bei der Gründung waren sie noch Freunde

Sie waren nicht immer ziemlich beste Feinde, der jüdische Staat und die schiitische Führungsmacht. Tatsächlich war der Iran eines der ersten muslimischen Länder, das Israel nach seiner Gründung 1948 formal anerkannte. 

Für die arabische Welt war die Geburt des jüdischen Staats und die damit einhergehende Vertreibung hunderttausender Palästinenser eine Katastrophe, eine "Nakba". Frieden, geschweige denn Freundschaft war an der Front ausgeschlossen. Umso mehr war dem jungen Staat an einer funktionierenden Beziehung mit den nicht arabischen Nachbarn und Nachbarsnachbarn gelegen. Die Akzeptanz des iranischen Schahs war eine Lebensversicherung, wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch. Israel bezog rund 40 Prozent seines Öls aus dem Iran. Dessen Monarch wiederum ließ den israelischen Spionagedienst Mossad seine Geheimpolizei ausbilden. 

Es war eine andere Zeit, ein anderer Iran. Ein Iran, der Coca-Cola näher stand als der Scharia. 1979 putschte dann die Vergangenheit. 

Vom großen Kumpel zum "kleinen Satan"

Mit der Pahlavi-Dynastie endete auch die 30-jährige Freundschaft zwischen Jerusalem und Teheran. Der religiöse Führer Ayatollah Khomeini und seine Revolutionäre machten aus Freunden Feinde – die USA galten fortan als "großer", Israel als "kleiner Satan". Israelis durften nicht mehr einreisen, Flüge wurden gestrichen, die Botschaft in eine Vertretung der Palästinenser umgewandelt. Khomeini deutete den Kampf der Palästinenser von einer arabischen zur gesamtislamischen Angelegenheit um – mit dem Iran als Führungsmacht.

Dabei sollte es nicht bleiben. Der Iran exportierte fortan nicht nur Öl, sondern auch den islamischen Revolutionsgedanken. Von den Mullahs inspiriert, ergriff der Islamische Dschihad als erste radikale Palästinenserorganisation die Waffen gegen Israel. 

Obwohl das klerikale System die Regierung in Jerusalem als zionistisches Besatzerregime verunglimpfte und dessen Feinde offen umgarnte, war Realpolitik nicht völlig vom Tisch. In den 80ern arbeiteten die neuen Feinde zusammen. Israel belieferte den Iran sogar mit Raketen, um die Mullahs in ihrem Krieg gegen Saddam Husseins Irak zu unterstützen. Die Ex-Freunde hatten sich zwar blitzentfremdet, so ganz ohne einander ging es aber doch nicht.

Die Zweckallianz sollte nicht lange halten. Spätestens mit der iranisch gesponserten Gründung der Hisbollah im Libanon riss der letzte Faden alter Bande. Aus Feinden wurden Erzfeinde. 

Sticheln aus dem Halbschatten – Irans Stellvertreterkrieg

Dank den USA als Schutzmacht Israels wagten die Mullahs nicht, ihren Hass auszuleben. Ein direkter Angriff, so die Annahme, würde eine Kettenreaktion auslösen, in deren Folge womöglich der gesamte Nahe Osten in Flammen stünde. 

Wer heute in diesem allzu wackeligen Konstrukt auf wessen Seite steht, lesen Sie hier im Detail: 

Also änderten sie in Teheran die Taktik – feuern und leugnen, so das neue Konzept. In den folgenden Jahrzehnten investierte die Revolutionsgarde – inzwischen eine Armee in der Armee – Zeit und vor allem Geld in nützliche Handlager. 

Die jemenitischen Huthis, die irakischen Volksmobilisierungskräfte, die Hamas in Gaza, die palästinensische Hamas und vor allem die libanesischen Hisbollah kochen alle nach ihrem Rezept. Tatsächlich hat es Teheran zum Meister des Stichelns gebracht. Mit verdeckten Operationen oder aus dem Halbschatten organisierter Finanzierung von Terrorgruppen testet das Regime immer wieder die Stärke des israelischen und damit auch US-amerikanischen Geduldsfadens. 

Jenseits der Grenze des Sag- und Denkbaren

Ähnlich wie beim Henne-Ei-Problem sind Israel und Iran in einer Aktion-Reaktions-Spirale gefangen. Es ist ein Streit, der sich verselbstständigt hat, ein Streit, in dem Drohen zur einzig gemeinsamen Sprache verkommen ist. 

Die Grenzen des Sagbaren haben die Machthaber in Teheran lange hinter sich gelassen. Gegen das "zionistische Regime" zu wettern, den Holocaust zu leugnen oder dem Staat Israel mit völliger Vernichtung zu drohen, ist auf Führungsebene Arbeitsdialekt. Umso aggressiver die Mullahs ihre Anti-Israel-Politik verfolgten, desto mehr manövrierten sie ihr Land ins Abseits. Das Ergebnis ist ein bitterböses Paradoxon: Je leidenschaftlicher der Hass, desto stärker die Isolation – je stärker die Isolation, desto leidenschaftlicher der Hass.

Doch nun befindet sich Israel in einer gefährlichen Lage. Der Krieg gegen die Hamas kostet Jerusalem nicht nur enorme Ressourcen, sondern auch zusehends die Rückendeckung der Verbündeten. Das gab Teheran Spielraum. Fehlte nur noch eine Gelegenheit zur Rechtfertigung. Die sollte am 1. April mit dem Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus kommen. Der Rest ist Geschichte. Fragt sich, ob Israel nun das nächste Kapitel aufschlägt oder den Rotstift ansetzt. 

Quellen: NPR; "Arab News"; "Al Jazeera"; "Deutsche Welle"

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