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Venedig Hat die Biennale eine Antwort auf die Krisen unserer Zeit?

Ein Mann steht auf einem Sockel in Venedig
Der Künstler als Monument: Ersan Mondtag vor dem Anleger "Giardini delia Biennale"
© Jana Mai
Die Welt ist in Aufruhr, und was macht die Kunst? Auf der Biennale in Venedig findet ausgerechnet der deutsche Pavillon eine überzeugende Antwort. Ein Lagebericht von der Lagune.

Der italienische Gartenarbeiter, der auf seiner superlauten Planierraupe ein Stück Wiese platt rattert, versteht sofort, was Robert Lippok mit seinen beiden ausgestreckten Händen meint: zehn Minuten keinen Lärm, per favore! Na gut.

Es ist der letzte Tag vor dem Ansturm auf die älteste sowie bedeutendste Kunstschau der Welt, die in wenigen Stunden drüben in den Giardini von Venedig startet. Aber eben auch hier: auf La Certosa, einer 24,2 Hektar großen Laguneninsel, die in diesem Sommer zum Außenposten des deutschen Pavillons erklärt wurde. Weit und breit ist kein Kunstwerk zu sehen, was daran liegt, dass es um Werke geht, die man hören muss. Nun, da die Maschine schweigt, ist das Erste deutlich zu vernehmen. Lippok hat Subwoofer, also Tieftonlautsprecher, im Boden der Insel vergraben, die wahrlich tiefe Bässe dröhnen lassen. Der Sound des Untergrunds wirkt irritierend, bedrohlich. Auch für Kuratorin Çağla Ilk, die mit wehendem Mantel über den Bootssteg gelaufen kommt. Die Frau, die für einige Monate Deutschlands offizielle Botschafterin im Land der Künste ist, hat schwere Erdbeben in ihrer ersten Heimat, der Türkei, erlebt. Kurz vor der Erschütterung, sagt sie, klinge es ähnlich: dröhnende Stille als dumpfe Vorahnung.

Lichtgestalterin: die in Berlin lebende Israelin Yael Bartana inmitten ihrer Installation im deutschen Pavillon
Lichtgestalterin: die in Berlin lebende Israelin Yael Bartana inmitten ihrer Installation im deutschen Pavillon
© Jana Mai

Ein passendes Grundgefühl für die 60. Biennale di Venezia. Die Bedrohungen unserer Zeit liegen förmlich in der Luft. Natürlich sind wie gewohnt die blendend gelaunten Kunst-Aficionados anwesend, die hektisch zwischen den Empfängen hin und her laufen, wo man den Ex-Fußballprofi Michael Ballack, die Kunstmäzenin Francesca von Habsburg sowie den Luxusunternehmer François-Henri Pinault mit Gattin Salma Hayek, der Hollywood-Schauspielerin, trifft. Doch sie wirken wie Nebendarsteller eines Films, dessen apokalyptischer Ausgang durch die Spoilerwarnung gedrungen ist. Wie ein eigenes verstörendes Kunstwerk scheint die Szene, als Prada-Co-Kreativdirektor Raf Simons bei der Kunstparty des Kaffeemagnaten Andrea Illy im Garten des Giardini Reali zu einer surrenden Drohne über sich blickt, die von schwer genervten Möwen attackiert wird.

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