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Zu viele Unfälle Erste deutsche Großstadt erteilt E-Scootern Platzverweis

Die Beine eines Jugendlichen stehen auf einem E-Scooter
Auf einem gemieteten E-Scooter hält sich nicht jeder an die Straßenverkehrsordnung
© Jens Büttner / DPA
Paris hat es vorgemacht und Miet-E-Scooter aus der Stadt verbannt. Nun zieht mit Gelsenkirchen die erste deutsche Großstadt nach. Doch die Vermieter reagieren.

Am Samstag muss sich das Gesicht von Gelsenkirchen verändert haben. Läuft alles wie von der Stadtverwaltung gewollt und vom Verwaltungsgericht bestätigt, stehen und liegen nirgendwo mehr E-Scooter rum und warten auf Kundschaft. Dabei hatte die Stadt das gar nicht zum Ziel. Sie wollte nur die Verleiher "Tier" und "Bolt" dazu bringen, die Identität der Ausleihenden zu prüfen, indem etwa Personalausweis oder Führerschein in die jeweilige App hochgeladen werden.

Das Ziel: Nach Unfällen oder Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung die E-Roller-Nutzer ermitteln zu können. "Die E-Roller werden leider hauptsächlich missbräuchlich genutzt, auch in Fußgängerzonen, auf Gehwegen und es hat viele schwere Unfälle gegeben", sagte Stadt-Sprecher Martin Schulmann der Deutschen Presse-Agentur (DPA) am Donnerstag. Die Nutzer seien aber bislang nicht zu ermitteln.

Gelsenkirchen stellt Bedingungen an Verleiher

Denn bisher müssen in den Ausleih-Apps nur Namen angegeben werden – ob die auch stimmen, überprüfen die Verleihfirmen nicht. Dabei soll es nach dem Willen von "Bolt" und "Tier" auch bleiben. Sie wehrten sich juristisch gegen die entsprechende Ordnungsverfügung, scheiterten nun aber in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG).

Laut VG "ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung der Stadt, die Erteilung der Erlaubnisse von einer Identitätsprüfung der Nutzer abhängig zu machen, offensichtlich ermessensfehlerhaft ist". Gegen die Entscheidung vom vergangenen Montag könne Beschwerde erhoben werden, über die das Oberverwaltungsgericht für NRW entscheide.

Ein Sprecher der Firma "Bolt" betonte auf DPA-Anfrage, es handele sich nicht um eine endgültige Entscheidung. Lediglich die Eilanträge der beiden Unternehmen seien abgelehnt worden. Die Plattform Shared Mobility (PSM) warf der Stadtverwaltung in einer - mit dem Anbieter "Tier" gemeinsam erarbeiteten - Stellungnahme ein "unverhältnismäßiges und diskriminierendes Vorgehen" gegen E-Scooter vor. E-Scooter seien mit 20 Kilometern pro Stunde langsamer als ein Pedelec und das kleinste Fahrzeug auf der Straße. Das letzte Wort dürfte in dem Konflikt noch nicht gesprochen sein.

Ärgernis Miet-E-Scooter

Die E-Tretroller gelten in vielen Städten als großes Ärgernis und Sicherheitsrisiko, weil sie – achtlos abgestellt oder auf den Boden geworfen – zum Hindernis werden und durch mitunter rücksichtslose Nutzung Unfälle verursacht werden. Laut "WDR" dürfen schon seit Anfang April keine Ausleih-Roller mehr durch Gelsenkirchen fahren. In zwei Tagen sollen sie ganz verschwunden sein.

Stadt-Sprecher Schulmann sagte, er habe aber bereits am Donnerstag keinen Leih-E-Scooter mehr in der Stadt gesehen. Es gebe bereits viele Nachfragen von Kommunen, "wie wir das denn genau gemacht haben". Bei einer angemessen und sicheren Nutzung gemäß der Verkehrsregeln könnten E-Scooter durchaus sinnvoll und eine umweltfreundliche Alternative sein, ergänzte er.

Nach Paris könnte nun also Gelsenkirchen Schule machen. 

"Bolt" klagt und prüft "Amtshaftungsansprüche"

Doch noch ist das juristische Gefecht nicht vorbei: Ein "Bolt"-Unternehmenssprecher kritisierte, Gelsenkirchen verlange seit dem 1. April als einzige Stadt in Deutschland von Betreibern von Sharing-E-Scootern eine obligatorische Identitätsprüfung der Kunden. "Als Anbieter lehnen wir dies ab. Aus unserer Sicht ist es eine ungerechtfertigte Maßnahme, die keine Relevanz für den Straßenverkehr oder die Sondernutzungsrechte der Anbieter hat." Eine endgültige Entscheidung sei aber nicht getroffen. Dafür braucht es ein Hauptsacheverfahren, wie Verwaltungsgerichtssprecher Wolfgang Thewes erläuterte. Beim VG sei eine solche Klage von "Bolt" auch bereits eingegangen. Vom Anbieter "Tier" liege dem VG aktuell keine Klage vor.

"Bolt" prüft zudem nach eigenen Angaben "Amtshaftungsansprüche" aufgrund des erwartbar entstehenden ökonomischen Schadens. Das wäre dann ein Zivilverfahren, das laut VG vor dem Landgericht zu führen wäre. Die rechtliche Situation sei nicht abschließend geklärt und doch müsse man die E-Scooter aus der Stadt entfernen, monierte der "Bolt"-Sprecher. Das treffe unmittelbar rund 40.000 Nutzer in Gelsenkirchen. Sie müssten "vorerst ohne das beliebte und umweltfreundliche Mobilitätsangebot auskommen, mit dem sie 2023 noch 400.000 Kilometer im Stadtgebiet zurückgelegt haben".

 

Hinweis: Der Artikel wurde mit den Reaktionen von "Bolt" und "Tier" aktualisiert.

 

Quellen: DPA, Stadt Gelsenkirchen, Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, "Der Westen", "WDR".

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