Die Einladung kam per E-Mail im vereinsüblichen Befehlston ("Alle hin da, und zwar früh!"), und tatsächlich finden sich am Abend um kurz vor sieben im Vereinsheim am Millerntor an die 60 St. Paulianer ein, um den Aufstieg ihrer Spitzenmannschaft in die Bundesliga zu feiern. 

Ein Kamerateam des NDR ist eigens erschienen und inszeniert mit den Spielern und Claqueuren einen fernsehgerechten Einmarsch der Gladiatoren, frei nach dem Motto "Nie mehr zweite Liga!" Die Fans singen aus gut gehopften Kehlen "Olé olé olé olé / Super Hamburg / Sankt Pauli". Dann ertönt Song 2 von Blur – der Stadionhit, der jedem St.-Pauli-Tor folgt –, und sieben, acht Helden des Brettsports schreiten durch das Spalier des jubelnden Mässchens  – oder wie immer man Masse verkleinern will.

Der FC St. Pauli ist mit 150 Spielern der zweitgrößte Hamburger Schachverein nach dem Hamburger Schachklub, aber zweifellos der mit dem größten Namen, denn St. Pauli kennt man überall auf der Welt. Sogar in New York soll man St.-Pauli-Spiele in einer Bar kucken können, also Fußball. Das Schach vom Millerntor wird erst demnächst ins Internet übertragen, wie es nämlich in der Schachbundesliga seit Jahren üblich ist. Dann können die Türme, von Schlachtenbummlern an den Bildschirmen angefeuert, über die Außenlinie stürmen, und es dürfen sogar Damen aufs Spielfeld, die unter Schachmeistern großen Respekt genießen.

Woher soll das Geld kommen?

Am Sonntag vergangener Woche errang das Team um die Amateure Aljoscha Feuerstack und Benedict Krause den entscheidenden Sieg in der zweiten Liga Nord, gewann gegen den SV Glück Auf Rüdersdorf nahe Berlin mit 5,5:2,5. Tabellensieg und Aufstieg.

Im Vereinsheim bedeutet das: Ein paar Kisten Astra werden spendiert und hereingerollt. Nicht lang schnacken, auch wenn es lauwarm ist. Dann setzen sich die Besten der Besten an die Bretter, um das Fernsehen mit ein paar Blitzschach-Bildern zu beglücken. Ein Spieler muss dreimal nacheinander rochieren, bis der Kameramann die richtige Einstellung gefunden hat. Immerhin gibt es beim Schach noch keine Zeitlupe.

Im allgemeinen Springer-Läufer-Trubel wirkt die Abteilungsleitung nachdenklich: Woher soll das Geld für die erste Liga kommen? Eine fünfstellige Summe ist erforderlich; noch gibt es keinen Sponsor. So läuft über Ostern die Suche an. Millionäre und andere Gutbetuchte hätten hier die Möglichkeit, sich mit einem legendären Club zu schmücken. Auch über eine Spendenplattform wird gesammelt. Sollte sich niemand finden, wird das nix mit der Bundesliga. Bier schießt keine Tore, nicht mal beim Schach.