Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat an die Innenminister von Bund und Ländern appelliert, bei ihrer Sondersitzung am Dienstag wirksame Schritte gegen Übergriffe auf Politiker und Ehrenamtliche zu beschließen. "Die jüngsten Vorfälle sind ein direkter Angriff auf unsere Demokratie und reihen sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Kommunalverbands, André Berghegger, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Hass, Hetze, Beleidigungen und Bedrohungen gegen politisch Engagierte haben in den vergangenen Jahren weiter zugenommen." 

Gerade Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker seien immer wieder solchen Vorkommnissen ausgesetzt. Wirksame Maßnahmen könnten laut Berghegger unter anderem sein, "die zuständigen Stellen bei Polizei und Justiz kurzfristig deutlich personell zu verstärken, um schnell und angemessen reagieren zu können".

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Länderressortchefs wollen sich am Dienstagabend in einer Videokonferenz zusammenschalten. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), hatte nach einem Vorschlag von Faeser dazu eingeladen.

Faeser kündigt härteres Vorgehen gegen Hasskriminalität im Netz an

Vor den Beratungen mit den Innenministern der Länder sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser, dass die Bundesregierung ihren Kampf gegen Hasskriminalität im Netz verstärken werde. "Dort brauchen wir verschärftes Vorgehen, damit eben aus so einer verbalen Gewalt keine tatsächliche Gewalt wird", sagte Faeser bei einem Termin in der Grenzkontrollstelle in Waidhaus an der tschechischen Grenze. Zudem warb auch sie für mehr Polizeipräsenz. Das sei vor allem ein Part der Länder, die man dabei unterstützen werde.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, sagte dem RND zudem: "Wir wissen und spüren: Da wo viel Polizei sichtbar ist und schnell überlegen eingreifen kann, passieren weniger Straftaten." Der Bedarf an Polizisten und Sicherheit durch Polizei sei so hoch wie nie zu vor. "Die Menschen wollen mehr Polizei. Wir sind an den Grenzen des Machbaren, aber wir geben alles, um das Vertrauen in unsere Arbeit weiter hochzuhalten." Die Polizei brauche aber dringend Unterstützung: "Mehr Personal, Strafrechtsverschärfung im Wahlkontext und Entlastung, damit wir unsere Stärken zeigen und ausspielen können", forderte Kopelke.  

Sächsisches Kabinett plant Bundesratsinitiative

Das sächsische Kabinett will am Dienstag eine Bundesratsinitiative zur Strafverschärfung bei Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer beschließen. Das kündigte Landesinnenminister Armin Schuster in den ARD-Tagesthemen an. "Wir brauchen einen neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch für die Bedrohung von Amts-, Mandatsträgern und Ehrenamtlern", sagte der CDU-Politiker. Das sei im Moment rechtlich noch schwer greifbar. Schuster appellierte an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), sich dem anzuschließen.

Schuster kündigte ferner die Einrichtung eines Kommunikationskanals im sächsischen Innenministerium an, wo spontane Aktionen gemeldet werden könnten. Ehrenamtlich tätige Menschen würden häufig spontan losgehen, weshalb es für die Polizei schwierig sei, sie zu schützen. Für geplante Wahlkampfaktionen gebe es bereits eine Anlaufstelle im LKA. Sie sei für die Parteien eingerichtet worden, damit sich die Polizei darauf einrichten könne.

Thüringens Verfassungsschutzchef rechnet mit weiteren Gewalttaten

Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, rechnet zudem mit weiterer Gewalttaten gegen Politikerinnen und Politiker. "Teile der Gesellschaft haben sich in den letzten Jahren zunehmend radikalisiert und sehen Gewalt als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung an", sagte Kramer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Wut und Hass sind alltäglich spürbar – selbst in ganz normalen bürgerlichen, also nicht extremistischen Gruppen. Wir werden deshalb und aufgrund der bevorstehenden Wahlen noch mit mehr solcher Exzesse zu rechnen haben."

Anlass der jüngsten Debatten ist der brutale Angriff auf den sächsischen SPD-Europapolitiker Matthias Ecke. Er war am Freitag von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen worden, als er Wahlplakate für seine Partei anbringen wollte. Ecke musste operiert worden. Die vier Tatverdächtigen sind ermittelt worden. Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen rechnet zumindest einen der Tatverdächtigen dem rechten Spektrum zu. Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.