Um 11.40 Uhr soll es am Donnerstag im Bundestag so weit sein, das Parlament stellt die Veteranen für eine Stunde in den Mittelpunkt. Dann steht unter Punkt acht auf der Tagesordnung der Antrag der Ampelparteien und der Union: "Für eine umfassende Wertschätzung – Einen nationalen Veteranentag einführen und die Versorgung der Veteranen und deren Familien verbessern". Beides fordern Veteranen und ihre Familien seit Langem: mehr Anerkennung und mehr Hilfe vom Staat für diejenigen Soldatinnen und Soldaten, die versehrt aus den Auslandseinsätzen zurückgekehrt sind.

Sandra Thamm ist extra nach Berlin gefahren, um dabei zu sein. "Die Versorgung von Veteranen muss besser werden", sagt die Ehefrau eines lang gedienten Soldaten. "Und damit meine ich nicht nur das Geld. Die Politik schaut viel zu wenig auf die Familien und bindet sie zu wenig ein." Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann Martin Thamm-Sparwald den Verein für Angehörige von traumatisierten Einsatzveteranen und Einsatzkräften (Atek) gegründet.

Wie viele Bundeswehrangehörige eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) haben, weiß niemand genau. Denn viele Männer und Frauen erhalten ihre Diagnose erst Jahre, nachdem sie die Truppe verlassen haben. "Gerade psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Posttraumatische Belastungsstörungen sind von einer langen Latenzzeit geprägt, sodass viele Einsatzgeschädigte zum Zeitpunkt der Diagnose nicht mehr Angehörige der Bundeswehr sind", heißt es im Antrag der fünf Parteien. "Es bedarf einer weiteren Verbesserung besonders für einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten und ihre Angehörigen."

Viele Veteranen leiden nach ihren Einsätzen

Sandra Thamm hat viele Vorschläge in die Politik eingebracht, wie eine effektivere Hilfe umgesetzt werden kann, hat mit Politikern und Verbänden gesprochen. In Nürnberg auf einer Ausrüstungs- und Waffenmesse hat sie Landesminister, Staatssekretäre und Generäle am Stand ihres Vereins empfangen und für mehr Engagement für die Veteranen geworben. Nun haben Abgeordnete sie eingeladen, der Debatte im Plenum und der Abstimmung von der Besuchertribüne aus zu folgen.

Patches auf dem Arm von Martin Thamm-Sparwald © Fabian Ritter für ZEIT ONLINE

Für ihren Mann wäre das zu viel Trubel gewesen. Er leidet an einer PTBS, lebensbedrohliche Ereignisse in Afghanistan und schreckliche Erlebnisse mit Tod und Leid haben ihn psychisch krank gemacht. Der Krieg am Hindukusch ist für die Bundeswehr seit August 2021, seit der Evakuierungsmission aus Kabul, endgültig vorbei. Aber nicht für Martin Thamm-Sparwald. Seine Traumata bleiben und verhindern, dass er ein normales Leben führen kann.

Er meidet Menschenmassen, Einkaufen im Supermarkt ist eine Herausforderung. Lärm und Sinneseindrücke, die ihn an die Einsätze erinnern, lösen Stress, Panikattacken und Flashbacks aus, dann glaubt Thamm-Sparwald kurz wieder in Afghanistan zu sein. Trotz seiner PTBS engagiert er sich in der stetig wachsenden Veteranenszene in Deutschland.

Es geht uns heute nicht nur darum, die Gefallenen des Karfreitags zu ehren, sondern auch darum, den Lebenden mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Martin Thamm-Sparwald, Veteran der Bundeswehr

Wie nah ihm seine Erlebnisse in den Einsatzländern der Bundeswehr gehen, zeigt sich am Karsamstag. Gemeinsam mit acht Männern und vier Frauen steht er mit gesenktem Kopf in einem Halbkreis in der Nähe des Aasees im nordrhein-westfälischen Ibbenbüren. Mit einer Schweigeminute erinnern sie an drei deutsche Soldaten, die am Karfreitag im Norden Afghanistans gefallen sind. Nur Gänse unterbrechen die Stille. Sie schwimmen auf dem Wasser oder treiben am Ufer ihre Küken zusammen. Martin Thamm-Sparwald räuspert sich. "Es geht uns heute nicht nur darum, die Gefallenen des Karfreitags zu ehren, sondern auch darum, den Lebenden mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen", sagt der frühere Fallschirmjäger und Sanitäter der Bundeswehr.

Auch er kennt Afghanistan gut. 601 Einsatztage hat Thamm-Sparwald in sechs Auslandsmissionen absolviert. Er hat viele Menschen behandelt, viele Tote und Verletzte gesehen, Kameraden gerettet, auch einige verloren. Aber die Bilder von verwundeten Kindern in seinem Kopf machen ihm heute besonders zu schaffen.