Eigentlich hätte es für die CDU und ihre Chefin ein entspanntes Wochenende werden können. Nur wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einen ersten kleinen, aber symbolisch wichtigen Erfolg erzielt: Soldatinnen und Soldaten in Uniform dürfen bald kostenlos mit der Deutschen Bahn fahren. Mit solchen netten Geschichten fürs Schaufenster kann man das eigene politische Standing in vielen kleinen Schritten festigen – falls einem sonst keine Fehler unterlaufen.

Darum bemüht sich Kramp-Karrenbauer derzeit geradezu krampfhaft, das ist ihr anzumerken. Sie hat sich einen Panzer aus unverständlichen Phrasen und Worthülsen zugelegt, hinter dem sie sich verkriecht – kein Wunder nach ihrem dümmlichen Karnevalsscherz über Unisex-Toiletten, dem Debakel um das YouTube-Video von Rezo und der folgenden Debatte über Meinungsfreiheit im Netz. Bloß keinen weiteren Ausrutscher, keinen unbedachten spontanen Halbsatz!

Doch dann reißt sie mit einem Interview alles wieder ein und redet sich vollkommen ohne Not in die nächste Krise. "Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus einer Partei auszuschließen. Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet", sagte sie am Freitag über Hans-Georg Maaßen und seinen ultrakonservativen Spalter-Verein, die Werteunion. Kramp-Karrenbauer würde Maaßen gern aus der CDU werfen: So wurde ihre Aussage völlig zu Recht auch von Parteifreunden gelesen. Nur wenig später wollte die CDU-Chefin richtigstellen: So habe sie das doch nicht gemeint.

Schuld an Niederlagen wird nach Berlin durchgereicht

Kramp-Karrenbauer kann Maaßen nicht aus ihrer Partei werfen. Sebastian Edathy, Thilo Sarrazin, Björn Höcke: Die Liste jüngst gescheiterter Ausschlussversuche in anderen Parteien ist lang, das weiß auch die CDU-Chefin. Ebenso hätte sie wissen müssen, wie ihre Aussage interpretiert würde – das gehört im politischen Berlin zum kleinen Einmaleins. Solche gedruckten Interviews werden immer noch mal zum Autorisieren gegengelesen; Kramp-Karrenbauer und ihr Team hätten also die Chance gehabt, den Wortlaut noch vor Veröffentlichung richtigzustellen. Nun hat die Parteichefin aber zuerst eine unhaltbare Forderung angedeutet und behauptet hinterher, falsch verstanden worden zu sein. Viel effizienter kann man die eigene Selbstdemontage kaum vorantreiben.

Schwäche ist in der Politik selten ein objektiver Zustand, sondern eher das Ergebnis von kollektiven Zuschreibungen – und die sind ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu kontrollieren. So langsam setzt in der CDU ein Prozess ein, der Kramp-Karrenbauer gefährlich werden kann. Hat sie, fragen sich ranghohe Christdemokraten, nur nach dem Verteidigungsministerium gegriffen, weil ansonsten Jens Spahn das Haus übernommen hätte? War der Wechsel ins Kabinett also nicht ein mutiger Schritt nach vorn, sondern nur der Versuch, aus der Bedrängnis heraus einen innerparteilichen Konkurrenten um die nächste Kanzlerkandidatur auszustechen?

Wo ist Kramp-Karrenbauers Team?

Und wo ist eigentlich ihr Generalsekretär, dessen Aufgabe es doch wäre, die eigene Mannschaft zu maßregeln? Wenn sich eine Parteichefin selbst bemüßigt fühlt, über ein einfaches Mitglied wie Maaßen zu richten, ist das vor allem ein Zeichen dafür, dass sie mit ihren Mitteln am Ende ist. Von der Werteunion hatte Kramp-Karrenbauer sich schon zuvor mehrfach deutlich distanziert. Inhaltlich ist das die völlig richtige Entscheidung. Den Konflikt zwei Wochen vor den Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern aber zu einem Eins-gegen-eins mit dem ehemaligen Verfassungsschützer aufzuwerten, verleiht Maaßen und seinen rechten Verein nur die Satisfaktion, nach der sie so dringend gieren.

Angela Merkel wäre so etwas nie passiert. Sie hätte Maaßen wohl in Grund und Boden ignoriert, bis er tobt – oder freiwillig zur AfD geht. Kleinliche Revierkämpfe hätte sie andere für sich gewinnen lassen, zum Beispiel Ronald Pofalla oder Volker Kauder. Doch der eine ist jetzt bei der Bahn und der andere sitzt im Bundestag nur noch ganz hinten. Wer ihre Rolle für Kramp-Karrenbauer übernehmen könnte, hat sich noch nicht gezeigt.

Wenn die Wahlen im Osten für die CDU verloren gehen, wofür derzeit vieles spricht, werden die Parteifreunde in Potsdam, Dresden und Erfurt einen Großteil der Verantwortung nach Berlin ins Konrad-Adenauer-Haus durchreichen. Nach nur zehn Monaten im Amt hat Kramp-Karrenbauer sich und ihre Partei in einen permanenten Krisenmodus verstrickt. Macht und Regieren sind die zentralen Währungen für die Christdemokratie. Und wenn die Vorsitzende nicht mehr als Garant, sondern als Risikofaktor angesehen wird, kann selbst in der notorisch obrigkeitshörigen CDU ein Sturm auf die Führung ausbrechen.