Bei der Parlamentswahl in Kroatien ist die konservative Partei HDZ von Ministerpräsident Andrej Plenković vorläufigen Teilergebnissen zufolge stärkste Kraft geworden. Das teilte die Wahlkommission des Landes mit. Die für eine Regierungsbildung erforderliche absolute Mehrheit der 151 Parlamentssitze verfehlte die HDZ demnach aber. 

Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Wahllokale kam die HDZ mit ihren Verbündeten auf  35,04 Prozent der Wählerstimmen. Damit hätte Plenković zwar noch keine absolute Mehrheit, jedoch gilt es als möglich, dass er kleinere Parteien sowie Vertreter der ethnischen Minderheiten für eine Koalition gewinnen könnte. Ähnlich war die vorige Wahl 2020 ausgegangen.  

"Die HDZ hat zum dritten Mal (in Folge) überzeugend eine Parlamentswahl gewonnen", sagte Plenković vor Anhängern. Die Partei werde am Morgen damit beginnen, eine neue parlamentarische Mehrheit zu finden.

Oppositionsbündnis an zweiter Stelle

Auf Platz zwei kam laut Hochrechnungen auf Basis von Teilergebnissen das dem Staatspräsidenten Zoran Milanović nahestehende linksliberale Oppositionsbündnis Rijeke Pravde (Flüsse der Gerechtigkeit) unter der Führung der sozialdemokratischen SDP mit 25,08 Prozent der Stimmen. Platz drei belegte die rechtsnationalistische Partei Domovinski Pokret (Heimatbewegung) mit 9,58 Prozent der Stimmen. Beobachter räumen ihr ein großes Verhandlungspotenzial ein, was sie zum Königsmacher machen könnte.

Der SDP-Vorsitzende Peđa Grbin sagte, die Ergebnisse seien nicht so wie gewünscht ausgefallen. Sie zeigten jedoch, "dass die Menschen einen Wechsel wollen". Gespräche über eine mögliche Koalition würden am Donnerstag beginnen.

Den Einzug ins Parlament dürften zudem erneut das konservativ-rechtspopulistische Bündnis unter Führung der Partei Most (Brücke) mit 7,62 Prozent sowie die grün-liberale Partei Mozemo (Wir können) mit 8 Prozent schaffen. Die Hürde dafür liegt bei fünf Prozent. Das offizielle Endergebnis dürfte in der kommenden Woche mitgeteilt werden.  

Plenković regiert seit 2016 in Kroatien, die HDZ war in den 33 Jahren seit der Unabhängigkeit des Landes 26 Jahre lang an der Macht. Er positioniert sich als prowestlich und proeuropäisch. Kritiker werfen ihm jedoch vor, dass er einen von seinen Vorgängern begonnenen Ausbau korrupter Netzwerke in Staat und Verwaltung fortgesetzt habe.      

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"Es wird nicht reichen um eine Koalition anzuführen", Nikolaus Neumaier, ARD Wien, zur Parlamentswahl in Kroatien
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Korruptionsvorwürfe gegen zahlreiche Minister

In den fast acht Jahren seiner Amtsführung verlor Plenković 30 Minister wegen Korruptionsaffären. Mit der jüngsten umstrittenen Ernennung des HDZ-loyalen Oberstaatsanwalts Ivan Turudić scheint Plenković zudem nun dem Kampf gegen Korruption und der bislang fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) ein Ende bereiten zu wollen.

Für mehr Stimmung im Wahlkampf sorgte Plenković' prominenter Gegner, Präsident Milanović. Er hatte einen Monat vor der Wahl überraschend angekündigt, Ministerpräsident an der Spitze einer SDP-geführten Regierung werden zu wollen. Diesen Anspruch hatte er mit den Korruptionsvorwürfen gegen die HDZ begründet. Als Staatspräsident mit einer beschränkten Macht hatte er sich mit populistischer Rhetorik der extremen Rechten in Kroatien angenähert. Im Gegensatz zu Plenković fiel er mit Blick auf den Ukraine-Krieg mit russlandfreundlichen Äußerungen auf.

Einem Rekord nahe kam bei der Parlamentswahl die Beteiligung: Schon zweieinhalb Stunden vor Schluss der Wahllokale lag sie bei 50,6 Prozent und damit höher als die Gesamtbeteiligung an der vergangenen Wahl im Jahr 2020, die 46,9 Prozent betragen hatte.