Wegen der Gefahr, von Großbritannien nach Ruanda abgeschoben zu werden, weichen irreguläre Migrantinnen und Migranten zunehmend nach Irland aus. Die umstrittene Politik des britischen Premierministers Rishi Sunak habe bereits Auswirkungen auf das EU-Land, sagte der irische Außenminister Micheál Martin der britischen Zeitung Daily Telegraph. Asylbewerber würden "hier und innerhalb der Europäischen Union Zuflucht suchen", um einer Abschiebung nach Ruanda zu entgehen.

Etwa 80 Prozent der Migranten würden über die britische Provinz Nordirland nach Irland kommen, sagte Martin. Großbritannien und die EU hatten sich nach dem Brexit geeinigt, diese Grenze offen zu lassen, um neue Konflikte in der früheren Bürgerkriegsregion zu vermeiden. Der konservative britische Abgeordnete Marco Longhi sagte dem Telegraph, die irischen Angaben würden zeigen, dass die Abschreckung funktioniere.

Wegen der steigenden Einwanderung hatten die gesellschaftlichen Spannungen in Irland zuletzt zugenommen. Zwischen Mai 2022 und April 2023 kamen mehr als 140.000 Menschen auf der Insel an, so viele wie seit 16 Jahren nicht mehr. Rechte Politiker behaupten, die Migration verschärfe die akute Wohnungskrise. Immer wieder gibt es Proteste von Anwohnern. 

Umstrittene britische Politik

Das britische Parlament hatte in der Nacht zum Dienstag ein Gesetz verabschiedet, das Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt. Damit kann die konservative Regierung in London irregulär eingereiste Asylsuchende in das ostafrikanische Land abschieben. Sie sollen dort Asyl beantragen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen.

Menschenrechtler sehen darin einen Verstoß gegen internationale Verpflichtungen. Auch die irische Regierung hatte das Vorhaben kritisiert. Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einer "Geopolitik des Zynismus".