Als Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend im Brüsseler Ratsgebäude vor die Presse trat, wurde ihm eine sehr naheliegende Frage gestellt: "Herr Bundeskanzler, inwieweit müssen die Sanktionen gegen den Iran jetzt ausgeweitet werden?" Und Scholz gab eine sehr scholzige Antwort: "Wir haben schon sehr viele Schritte unternommen, um den Iran zu sanktionieren. Was weitere mögliche Schritte sind, wird immer wieder neu diskutiert werden müssen. Klar ist auch, dass das Prozesse sind, die genau beobachtet werden müssen." 

Schwer zu sagen, was das nun genau heißen sollte; aber Scholz würde, so viel war nach diesem Statement gewiss, nun zum Gipfeltreffen mit seinen Regierungschefkollegen gehen und das tun, was Deutschland in der Vergangenheit immer tat, wenn es um den Iran geht: sehr, sehr vorsichtig sein. Natürlich, Scholz hat bei seinem Statement auch vom "furchtbaren Angriff Irans" gesprochen, so was habe es "noch nie gegeben". 

Aber die klaren Worte begrub der Kanzler gleich wieder in einem Satzungetüm und eilte davon, um mit seinen 26 Kollegen darüber zu diskutieren, was nun gegenüber dem islamistischen Regime in Teheran, das Hunderte Drohnen und Raketen auf Israel abgeschossen hatte, zu tun sei.

"Die EU wird weitere restriktive Maßnahmen gegen Iran ergreifen, insbesondere in Bezug auf unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) und Raketen", hieß es dann in der in der Nacht zum Donnerstag verabschiedeten Gipfelerklärung. "Wir müssen den Iran isolieren", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Dass die EU noch mehr Sanktionen gegen den Iran auf den Weg bringen würde, das hatten schon die Außenminister der Union am Tag zuvor angekündigt.

Iran-Sanktionen sind so alt wie die Islamische Republik

Iran dürfte das Land sein, das weltweit mit der größten Zahl an internationalen Strafmaßnahmen belegt ist. Westliche Sanktionen gegen den Iran gibt es, seitdem es die Islamische Republik Iran gibt, seit 1979. Damals verhängten die USA Sanktionen, weil iranische Studenten die US-Botschaft besetzten und 52 Botschaftsangehörige als Geiseln nahmen. Später verhängten die USA ein Waffenembargo. 

Doch es ist das iranische Atomprogramm, das die meisten und härtesten Sanktionen zur Folge hatte: Waffenembargos, das Einfrieren iranischer Vermögenswerte, Reiseverbote und Handelsbeschränkungen. Iranische Frachtmaschinen durften keine EU-Flughäfen mehr anfliegen, zahlreiche Personen durften nicht mehr einreisen. 2012 wurden iranische Banken aus dem Swift-System ausgeschlossen, das internationale Überweisungen abwickelt. Die allermeisten dieser Sanktionen, die zwischen 2006 und 20015 getroffen wurden, sind von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gedeckt.

2015 allerdings erklärte sich der Iran im Wiener Abkommen – dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOE) – zur weitgehenden Abkehr vom Atomprogramm bereit. In der Folge setzten USA und EU ihre Strafmaßnahmen aus. 2018 trat US-Präsident Donald Trump einseitig aus dem JCPOE aus. Für ihn war das Abkommen nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben stand. 

Tatsächlich hat der Iran, während der über das Atomprogramm verhandelte, seine Raketenprogramme ausgebaut und seine Klienten in der Region – die Hisbollah im Libanon, die Hamas in Gaza und die Huthis im Jemen – aufgerüstet. Nach Trumps Entscheidung fühlte sich Iran nicht mehr dem Abkommen verpflichtet und reicherte weiter Uran an. Die an das iranische Atomprogramm gebundenen Sanktionen traten wieder in Kraft. Der amtierende US-Präsident Joe Biden versuchte, das JCPOE wiederzubeleben, allerdings ohne Erfolg.

Als das Regime im Jahr 2022 Demonstrationen gewaltsam niederschlug, verhängte die EU Sanktionen gegen 32 Einzelpersonen und gegen einzelne Organisationen. Schließlich beschloss die EU Strafmaßnahmen wegen der militärischen Unterstützung Irans für den russischen Aggressionskrieg in der Ukraine.

Atomprogramm, Menschenrechtsverletzungen, militärische Unterstützung für den Aggressor Russland – das sind also die drei Hauptgründe für die bisher von der EU und den USA verhängten Sanktionen. Und nun kommt der Angriff auf Israel dazu.

Revolutionsgarden als Terrororganisation? Borrell hat juristische Zweifel

Die EU will deshalb die sogenannten Drohnensanktionen ausweiten. Das hatten die Außenminister auf ihrem Treffen am Dienstag angekündigt, möglicherweise werden sie dazu nächsten Montag in Luxemburg einen Beschluss fassen. Mit diesen angepeilten erweiterten Sanktionen sollen die militärischen Fähigkeiten Irans eingeschränkt werden. 

Diskutiert wird auch darüber, ob die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation eingestuft werden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell allerdings sagte dazu, dass dies aus juristischen Gründen nicht möglich sei, solange die iranischen Revolutionsgarden nicht in einem der 27 Mitgliedstaaten wegen eines Terroranschlages verfolgt werden. 

Auf dieses Thema angesprochen, sagte Scholz bei Ankunft in Brüssel etwas umständlich: "Es gibt ja Sanktionslistungen dieser Kräfte bereits. Es geht jetzt darum, ob wir einen weiteren Schritt machen können (…), was allerdings an juristische Prozeduren gebunden ist, mit denen sich der Juristische Dienst der Kommission jetzt beschäftigen wird".