Zwei israelische Minister haben Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen eines Deals für eine Feuerpause im Krieg mit der Hamas unter Druck gesetzt. Wenn Netanjahu sich entscheide, eine "weiße Fahne zu hissen" und den Plan einer Bodenoffensive in Rafah abzusagen, "dann hat die von Ihnen geführte Regierung keine Recht zu existieren", schrieb der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich im Onlinedienst X. "Der ägyptische Deal ist eine demütigende Kapitulation (…), er verurteilt die Geiseln zum Tode, und vor allem stellt er eine unmittelbare existenzielle Gefahr für den Staat Israel dar", fuhr er fort.

Der frühere Armeechef und Ex-Verteidigungsminister Benny Gantz, der Netanjahus Kriegskabinett angehört, erklärte seinerseits, eine Invasion in Rafah sei "wichtig im langen Kampf gegen die Hamas", aber die Rückkehr der Geiseln sei "dringend und von größter Bedeutung". Wenn die Minister der Regierung die Umsetzung eines "verantwortungsvollen Plans zur Rückkehr der Geiseln, der vom gesamten Verteidigungsapparat unterstützt wird und der nicht das Ende des Krieges bedeutet", verhinderten, dann "hat die Regierung nicht mehr das Recht, weiter zu existieren".

In Rafah haben 1,8 Millionen Menschen Zuflucht vor den Kämpfen gesucht, nach israelischen Angaben ist es zugleich die letzte Bastion der radikalislamischen Terrorgruppe Hamas in dem Palästinensergebiet. Netanjahu hatte zugesichert, Soldaten in die Stadt zu schicken, er steht jedoch unter starkem ausländischen wie inländischen Druck, eine Vereinbarung zur Freilassung der im Gazastreifen verbleibenden Geiseln aus Israel zu schließen.

Zu diesem Thema hat auch US-Präsident Joe Biden erneut mit Netanjahu telefoniert. Biden habe seine ablehnende Haltung zu einer Offensive der israelischen Armee in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens bekräftigt, erklärte das Weiße Haus. Biden und Netanjahu hätten sich über die "laufenden Gespräche über die Freilassung der Geiseln und einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen" beraten.

Zudem sei in dem Gespräch eine Zunahme der humanitären Hilfslieferungen in den Gazastreifen erörtert worden, etwa durch die Öffnung weiterer Grenzübergänge. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari hatte eine Ausweitung der Hilfslieferungen nach Gaza angekündigt. Hierzu sollten unter anderem die Öffnung des israelischen Hafens Aschdod und ein neuer Übergang für humanitäre Transporte im Norden des Gazastreifens beitragen, sagte er.

Hamas-Vertreter äußert sich zuversichtlich zu Feuerpausen-Verhandlung

Ein hochrangiger Hamas-Vertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, eine Delegation werde am Montag in Ägypten ihre Antwort auf einen neuen israelischen Vorschlag zu einer Feuerpause übermitteln. Israel äußerte sich laut einem Medienbericht erstmals zu möglichen Gesprächen über ein Ende des Krieges. Der Hamas-Vertreter äußerte sich grundsätzlich positiv zu dem jüngsten Vorschlag Israels für eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln. "Die Atmosphäre ist positiv, es sei denn, es gibt neue israelische Hindernisse", sagte er.

Auch in Saudi-Arabien soll es bei einem Treffen mehrerer westlicher und arabischer Außenminister in Riad am Montag neue Bemühungen für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas geben. US-Außenminister Antony Blinken, der auf dem Rückweg eines Besuchs in China nach Saudi-Arabien reist, will nach Darstellung seines Büros mit "regionalen Partnern" über den Konflikt beraten. Erwartet werden unter anderem auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Minister treffen sich in Riad am Rande des Open Forums, einer Wirtschaftskonferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF) unter anderem zu Umwelt, Gesundheit und Finanzen. Israel sollte laut dem WEF-Präsidenten Børge Brende nicht teilnehmen. 

Die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas und weitere militante Palästinensergruppen waren am 7. Oktober vergangenen Jahres in israelische Orte eingedrungen und hatten Gräueltaten an Zivilisten verübt. Nach israelischen Angaben töteten die islamistischen Kämpfer damals etwa 1.170 Menschen, zudem verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.

Als Reaktion auf den Überfall greift Israel seitdem den Gazastreifen militärisch an, erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 34.400 Menschen getötet.