Nach dem offiziellen Rücktritt des umstrittenen Ministerpräsidenten Ariel Henry ist in Haiti ein Übergangsrat vereidigt worden. "Mit der heutigen Zeremonie werden Ihnen die Geschicke der Nation und des Volkes übertragen", sagte der kommissarische Ministerpräsident Michel Patrick Boisvert den neun Ratsmitgliedern, acht Männern und einer Frau.

Das Gremium soll laut einem Dekret bis zur Amtseinführung eines neuen gewählten Präsidenten besondere präsidiale Befugnisse ausüben. Die Amtseinführung des neuen Staatschefs soll demnach bis spätestens 7. Februar 2026 geschehen.

Die US-Regierung begrüßte die Einsetzung des Übergangsrats. Mit der Vereidigung seiner Mitglieder sei ein "entscheidender Schritt auf dem Weg zu freien und fairen Wahlen" getan, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. Um die Kapazitäten der haitianischen Polizei zu stärken, hätten die USA eine erste Lieferung mit Ausrüstung auf den Weg gebracht. Die USA seien weiterhin entschlossen, die Bemühungen um die Wiederherstellung von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in Haiti zu unterstützen.

Schüsse während der Vereidigungszeremonie

Unklar ist allerdings, ob der Übergangsrat überhaupt in der Lage sein wird, seine Autorität gegenüber kriminellen Banden durchzusetzen, die inzwischen einen Großteil der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren. Selbst während der Vereidigungszeremonie im Präsidentenpalast waren im Zentrum der Hauptstadt Schüsse automatischer Waffen zu hören.

In Haiti hat es bereits seit 2016 keine Wahlen mehr gegeben, seit der Ermordung von Jovenel Moïse im Jahr 2021 ist der Karibikstaat zudem ohne Präsident. Die Bandengewalt hat den Karibikstaat ins Chaos gestürzt. Die humanitäre Lage gilt als katastrophal, das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnte zuletzt vor dem Hungertod Zehntausender Kinder.  

Wegen der Eskalation der Gewalt in Haiti ließen zahlreiche Länder ihre Diplomaten und Bürger aus Haiti ausfliegen. Zwischen Januar und März waren in Haiti mehr als 1.600 Menschen getötet worden. Nach UN-Schätzungen sind mehr als 360.000 Menschen auf der Flucht vor der Gewalt.