Die EU-Mitglieder Estland und Litauen werfen Russland vor, durch die Störung von GPS-Signalen gegen internationale Bestimmungen zu verstoßen. Nachdem die finnische Fluggesellschaft Finnair ihre Flüge in die estnische Stadt Tartu wegen einer GPS-Störung vorübergehend ausgesetzt hatte, kritisierte Außenminister Margus Tsahkna Russland. "GPS-Störungen im estnischen Luftraum durch die RF (Russische Föderation) haben die zivile Luftfahrt in unserer Region beeinträchtigt. Damit verstößt Russland gegen internationale Vorschriften", schrieb er auf der Plattform X.

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine häufen sich Beschwerden von verschiedenen privaten Fluggesellschaften über GPS-Störungen im Ostseeraum. Besonders betroffen sind der Luftraum über Polen und den baltischen Staaten sowie Teile Südschwedens und Nordostdeutschlands. Es wird vermutet, dass das russische Militär einen leistungsstarken Störsender einsetzt.

Experten unterscheiden zwei Arten von GPS-Störungen: Jamming und Spoofing. Beim Jamming wird das Signal so stark gestört, dass es den Empfänger nicht mehr erreicht und das GPS ausfällt. Die Störung kann dadurch sofort erkannt werden. Beim Spoofing wird ein manipuliertes GPS-Signal gesendet, das dem Empfänger eine falsche Position vorgaukelt. Diese Methode erfordert technisch mehr Aufwand, kann aber nicht sofort erkannt werden.

Experten untersuchen Störung in Estland

Das GPS-Signal wird von Flugzeugen etwa zur Bestimmung der eigenen Position und zur Navigation verwendet. Ende vergangener Woche mussten zwei Finnair-Flugzeuge umgeleitet werden, nachdem GPS-Störungen den Landeanflug auf den Flughafen in Tartu verhindert hatten. Er ist einer von wenigen in der Region, an denen dafür eine GPS-Verbindung erforderlich ist. Die finnische Fluglinie kündigte deshalb an, ihre Flüge von Helsinki nach Tartu zunächst auszusetzen.

Nach den Vorfällen hatte die estnische Behörde für Verbraucherschutz und technische Regulierung (TTJA) ihre Experten nach Tartu geschickt, um die GPS-Störungen zu untersuchen. Dabei seien keine Störungen des Signals am Boden festgestellt worden, sie begännen in einer Höhe von rund eineinhalb Kilometern im Luftraum, sagte ein TTJA-Sprecher dem estnischen Rundfunk. Dabei handele es sich um eine "Nebenwirkung". Nach Einschätzung der TTJA versucht Russland, sich mit gezielten Störungen des GPS-Signals vor ukrainischen Drohnenangriffen zu schützen.

Lufthansa fliegt Flughafen in Estland nicht an

Auch das litauische Außenministerium sprach davon, dass Russland seine feindlichen Handlungen mit dem Jamming verstärkt habe. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte auf Anfrage, dass die Störungen "mit hoher Wahrscheinlichkeit" auf Russland zurückzuführen seien. "Wir haben keine Einschränkungen, was Navigation und Kommunikation anbetrifft", sagte der Sprecher mit Blick auf Aktivitäten der Bundeswehr in den baltischen Staaten. Er verwies darauf, dass man verschiedene Systeme nutze, sodass der Ausfall eines Systems keine gravierenden Auswirkungen hat.

Die finnische Fluggesellschaft teilte mit, sie wisse nicht, woher die Störungen stammten. Man habe aber in der Vergangenheit ähnliche Probleme in der Nähe der russischen Exklave Kaliningrad und der Ostgrenze Finnlands zu Russland bemerkt. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte, dass der Flughafen in Tartu nur mit GPS-Signalen angeflogen werde, weshalb die Lufthansa ihn nicht nutze.

Weder das russische Präsidialamt noch das russische Verteidigungsministerium reagierten zunächst auf Anfragen nach einer Stellungnahme. Tsahkna sagte, Estland habe das Thema bereits mit Lettland, Litauen, Finnland und Schweden erörtert und werde es auch mit den EU- und Nato-Partner besprechen.