Ein New Yorker Berufungsgericht hat die Verurteilung des ehemaligen Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung von 2020 aufgehoben (PDF). Das Berufungsgericht des Bundesstaates kam in einer Entscheidung von vier zu drei Stimmen zu dem Schluss, der damalige Richter habe einen Fehler gemacht. Er habe die Staatsanwaltschaft Aussagen von Frauen einbringen lassen, die behaupteten, Weinstein habe sie angegriffen, obwohl sie nicht Teil der Anklage gewesen seien. Das Gericht ordnete einen neuen Prozess in dem Fall an. Weinstein-Anwalt Arthur Aidala begrüßte das Urteil.

"Wir kommen zu dem Schluss, dass das erstinstanzliche Gericht fälschlicherweise Zeugenaussagen über nicht angeklagte, mutmaßliche frühere sexuelle Handlungen gegen andere Personen als die Kläger der zugrunde liegenden Straftaten zugelassen hat", schrieb der zuständige Richter.

Es sei ein "Missbrauch juristischen Ermessens", dass der Richter ungeprüfte Vorwürfe zugelassen habe, die lediglich das schlechte Verhalten eines Angeklagten offengelegt und nichts zur Klärung der Anklage beigetragen hätten, hieß es in der Entscheidung des Berufungsgerichts. Die drei Richter, die gegenteilig entschieden hatten, warfen der Mehrheit ihrerseits vor, "veraltete Vorstellungen von sexueller Gewalt aufrechtzuerhalten und Tätern zu erlauben, ihrer Rechenschaftspflicht zu entgehen".

Weinsteins Anwalt lobte die Entscheidung des Gerichts. Arthur Aidala sagte bei einer Pressekonferenz vor dem Strafgerichtsgebäude von Manhattan, sein Team habe von Anfang an "gewusst, dass Weinstein keinen fairen Prozess bekommen hat". Weinstein brenne darauf, seine Geschichte vom ersten Tag an zu erzählen.

Weinstein bleibt wegen weiterer Verurteilung in Haft

Weinstein war 2020 in New York wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Derzeit verbüßt er die Haftstrafe in einem New Yorker Gefängnis. Weinstein bleibt nach dem Aufheben der Verurteilung aber weiterhin in Haft, weil er 2022 in Los Angeles wegen einer anderen Vergewaltigung zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. 

Bei dem Prozess in Los Angeles hatte eine Jury Weinstein im Dezember wegen Sexualverbrechen in drei Anklagepunkten schuldig gesprochen. In einem Punkt wurde er freigesprochen, in drei weiteren Punkten gab es keine Einigung. Die Vorwürfe stammten von vier Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben. 

Einst einer der mächtigsten Männer in Hollywood

Gemeinsam mit seinem Bruder Bob war Weinstein Gründer des Filmproduktions- und Verleihunternehmens Miramax. Er war einst einer der mächtigsten Manager in der US-Filmbranche. Der erste Weinstein-Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Der Fall hatte damals die MeToo-Bewegung maßgeblich mit ausgelöst. Seit 2017 warfen mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vor.

Die Entscheidung im Vergewaltigungsprozess 2020 war unter den Juristinnen und Juristen des Gerichts offenbar umstritten: Mehrere von ihnen formulierten sogenannte dissenting opinions. Mit solch einem Sondervotum können sie zu Protokoll geben, inwiefern sie mit der Mehrheitsentscheidung des Gerichts nicht übereinstimmen.