Es war der zweite Hilferuf innerhalb kurzer Zeit. Femke Halsema, Bürgermeisterin von Amsterdam, forderte vergangene Woche, Kokain legal in Apotheken zu verkaufen. Alle bisherigen Ansätze die Drogenkriminalität einzudämmen, seien gescheitert. Etwa 80 Prozent der Polizisten in ihrer Stadt würden im Kampf gegen die Drogen eingesetzt. Dennoch sei keine Besserung in Sicht.  

Schon zu Jahresbeginn hatte sie im Guardian gewarnt, dass die Niederlande sich zu einem Narco-Staat entwickelten. Drogenbanden würden in Amsterdam Geschäfte machen, ihr Geld waschen und miteinander konkurrieren. Das Resultat: Morde im Mafiastil, ein auf offener Straße erschossener Journalist und ein Justizminister, der aus Sicherheitsgründen untertauchen musste. Zudem fließt das Geld aus dem Drogenhandel in die legale Wirtschaft, etwa in Restaurants oder Immobilien – die Banden untergraben so Geschäftszweige, die nichts mit Drogen zu tun haben. 

Dass Halsema Kokain legalisieren möchte, lässt sich mit den hohen Gewinnspannen im Handel mit der Droge erklären. Ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Gitoc (PDF), die transnationale organisierte Kriminalität untersucht, bezeichnet Kokain als Steroid für die Banden. Sie wachsen durch den Handel schneller. Dabei geraten sie in Konkurrenz zueinander und kämpfen um Märkte. In Halsemas Logik würde ein legaler Verkauf die kriminellen Gruppen schrumpfen lassen. 

Aktuell ist das Gegenteil zu beobachten – der Markt wächst. Das hat nicht nur Folgen für die Niederlande und Belgien. Dort liegen die beiden größten Häfen Europas (Rotterdam und Antwerpen). Auch Spanien, Italien, Irland, Griechenland, Großbritannien und Deutschland sind betroffen. Die EU-Polizeibehörde Europol spricht seit gut zwei Jahren von einer Kokainwelle. Welche Ursachen hat sie, was lässt sich dagegen unternehmen? 

Die Polizei findet mehr Kokain

In Europa beschlagnahmte Menge der Droge pro Jahr

300 t

200

100

2017

2018

2019

2020

2021

Europa = EU und Albanien, Andorra, Belarus, Bosnien and Herzegovina, Island, Liechtenstein,

Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Moldavien, Serbien, Schweiz, Türkei, Vereinigtes

Königreich und die Ukraine.

Quelle: UNODC

Die Polizei findet mehr Kokain

In Europa beschlagnahmte Menge der Droge pro Jahr

300 t

200

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2017

2018

2019

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2021

Europa = EU und Albanien, Andorra, Belarus, Bosnien and Herzegovina, Island, Liechtenstein,

Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Moldavien, Serbien, Schweiz, Türkei, Vereinigtes

Königreich und die Ukraine.

Quelle: UNODC

Die Polizei findet mehr Kokain

In Europa beschlagnahmte Menge der

Droge pro Jahr

300 t

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2017

2018

2019

2020

2021

Europa = EU und Albanien, Andorra, Belarus,

Bosnien and Herzegovina, Island,

Liechtenstein, Montenegro, Nordmazedonien,

Norwegen, Moldavien, Serbien, Schweiz,

Türkei, Vereinigtes Königreich und die

Ukraine.

Quelle: UNODC

Die Polizei findet mehr Kokain

In Europa beschlagnahmte Menge der Droge

pro Jahr

300 t

200

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2017

2018

2019

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2021

Europa = EU und Albanien, Andorra, Belarus, Bosnien

and Herzegovina, Island, Liechtenstein, Montenegro,

Nordmazedonien, Norwegen, Moldavien, Serbien,

Schweiz, Türkei, Vereinigtes Königreich und die Ukraine.

Quelle: UNODC

Die Polizei findet mehr Kokain

In Europa beschlagnahmte Menge der

Droge pro Jahr

300 t

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2018

2019

2020

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Europa = EU und Albanien, Andorra, Belarus,

Bosnien and Herzegovina, Island,

Liechtenstein, Montenegro, Nordmazedonien,

Norwegen, Moldavien, Serbien, Schweiz,

Türkei, Vereinigtes Königreich und die

Ukraine.

Quelle: UNODC

Die Polizei findet mehr Kokain

In Europa beschlagnahmte Menge der Droge

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300 t

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2018

2019

2020

2021

Europa = EU und Albanien, Andorra, Belarus, Bosnien

and Herzegovina, Island, Liechtenstein, Montenegro,

Nordmazedonien, Norwegen, Moldavien, Serbien,

Schweiz, Türkei, Vereinigtes Königreich und die Ukraine.

Quelle: UNODC

Aus 2.000 werden 60.000 Euro

Der erste und naheliegendste Grund für die steigenden Mengen von Kokain in Europa ist die größere Verfügbarkeit der Droge. Seit 2013 hat sich der Kokaanbau in den drei Hauptherkunftsländern Peru, Bolivien und Kolumbien mehr als verdoppelt. Es ist also mehr Kokain auf dem Markt.  

Und von diesem Kokain kommt mehr nach Europa. Weil es ein illegales Produkt ist, gibt es keine offiziellen Statistiken. Aber die größeren Anbauflächen, Drogenfunde der Polizei oder Abwasseranalysen lassen Rückschlüsse auf den Konsum zu. "Alle verfügbaren Zahlen deuten darauf hin, dass in Europa mehr Kokain im Umlauf ist", sagt Daniel Brombacher, Europadirektor von Gitoc.  

Die EU ging schon im Jahr 2020 davon aus, dass der Kokainhandel allein in Europa ein Volumen von 10 Milliarden Euro hatte. Seitdem dürfte diese Zahl noch gewachsen sein. Der europäische Markt unterscheidet sich dabei von dem in den USA. Während der Weg der Droge dort größtenteils über das Transitland Mexiko läuft, gibt es viele verschiedene Wege nach Europa. Auf dem Weg von Lateinamerika nach Europa verteuert sich die Droge dabei um riesige Spannen. Während ein Kilo Kokain in Kolumbien etwa 2.000 Euro kostet, liegt der Verkaufspreis in Europa je nach Reinheit und Region zwischen 60.000 und 120.000 Euro.  

Der europäische Markt ist also lukrativ. Verschiedene Organisationen kämpfen um Vertriebswege wie Häfen und den Zugang zu den Endkunden. Und zwar mit Gewalt, deren Folgen Halsema für Amsterdam beschreibt.