Sollte der Whistleblower Julian Assange an die USA ausgeliefert werden, bestehe ein großes Risiko, dass er sich das Leben nehme, befürchten seine Verteidiger. In der Auslieferungsanhörung vor dem Woolwich Crown Court in London schilderten sie am Dienstag, unter welch enormem psychischen Druck sich ihr Mandant seit Jahren befinde und welche Wirkung die jahrelange Isolation und die Angst um sein Leben auf ihn habe. 

Es gebe keinen Zweifel daran, dass Julian Assange eine "lange Geschichte klinischer Depression" habe, die mehrere Jahre zurückreiche, heißt es in der schriftlichen Argumentation der Verteidigung, die die Unterstützergruppe Bridges of Media Freedom veröffentlicht hat. Assanges Zustand habe sich durch Todesdrohungen und die "jahrelangen völlig abnormalen Bedingungen" verschlimmert, denen er in der ecuadorianischen Botschaft ausgesetzt war. Auch das Wissen, ständig überwacht zu werden, habe dazu beigetragen. 

Der Gründer von WikiLeaks soll in den USA wegen Spionage und Verschwörung zum Hack von Regierungscomputern angeklagt werden. Daher hat die US-Regierung seine Auslieferung beantragt, über die derzeit in London verhandelt wird.

Julian Assange - Was hat dieser Mann getan? Mit WikiLeaks enthüllte Assange potenzielle Kriegsverbrechen, die USA werfen ihm Spionage vor. Vorerst bleibt er im Hochsicherheitsgefängnis in London. Ein Erklärvideo

Offenbar Diskussionen über "extremere Maßnahmen" gegen Assange

Seine Verteidiger argumentieren, Assange habe lediglich getan, was Journalisten weltweit täglich tun, er habe auf Missstände aufmerksam gemacht und der Öffentlichkeit dafür entsprechende Belege geliefert. Die Behauptung der US-Regierung, durch die Veröffentlichung beispielsweise der Diplomatendepeschen des US-Außenministeriums, in deren Kontext auch ungeschwärzte Namen von Informanten der US-Regierung publik geworden sind, seien Leben gefährdet worden, nannte die Verteidigung Unsinn. Im Gegenteil, Assange habe zusammen mit mehreren Medienpartnern und auch mithilfe des US-Außenministeriums versucht, genau das zu verhindern. 

Nach Meinung der Verteidigung sind viele Behauptungen, die gegen Assange erhoben werden, falsch. Ihr Mandat erfahre keine faire Behandlung. Um das zu belegen, berichtete Edward Fitzgerald, einer seiner Verteidiger, es seien sogar Entführungs- und Mordpläne gegen Assange diskutiert worden. Quelle dafür sind die Aussagen eines nur als "Zeuge zwei" bekannten Menschen. Der hatte Belege dafür öffentlich gemacht, dass die spanische Sicherheitsfirma UC Global, die in der ecuadorianischen Botschaft angestellt war, Assange auf Schritt und Tritt überwachte. Über Jahre hinweg hatten die Sicherheitsleute um ihn ein Netz aus Mikrofonen und Kameras errichtet und ausführliche Berichte über Assange angefertigt . Darüber hatte zuerst die spanische Zeitung El País berichtet und das mit entsprechenden Dokumenten belegt, UC Global bestritt eine Überwachung der ecuadorianischen Botschaft. 

Das Anwaltsteam sagt, es habe Kontakt zu mehreren Whistleblowern aus dem Umfeld von UC Global und wolle diese als Zeugen anführen. Ihrer Aussage nach sei der Chef von UC Global, David Morales, bei Gesprächen mit nicht näher genannten US-amerikanischen Stellen dabei gewesen, bei denen die Frage diskutiert worden sei, ob man gegen Assange nicht auch "extremere Maßnahmen" ergreifen könne. So sei diskutiert worden, Assange aus der Botschaft zu entführen. Es habe den Vorschlag gegeben, eine Tür der Botschaft offen stehen zu lassen, um eine Entführung wie ein Versehen aussehen zu lassen, zitierte Fitzgerald aus der Zeugenaussage. "Ja, sogar die Möglichkeit des Vergiftens wurde besprochen."

Die Schlussfolgerung der Verteidiger: Infolgedessen erfülle schon der Gedanke an eine Auslieferung Assange mit einer "überwältigenden Furcht".