Beim Esports World Cup in Riad treten Tausende Profis in Spielen wie "Fortnite" oder "FC24" gegeneinander an. Zuschauen sollen Millionen, vor Ort und im Stream. Organisiert wird das Spektakel von Ralf Reichert. Der Gründer des E-Sport-Unternehmens ESL gilt als einer der Väter des professionellen Computerspielens. Wir treffen ihn in seiner alten Wirkungsstätte, dem ESL-Headquarter in Köln-Mülheim.

ZEIT ONLINE: Herr Reichert, beim Esports World Cup können professionelle Videospieler insgesamt über 60 Millionen US-Dollar erzocken. Wo kommt die Kohle her?

Ralf Reichert: Natürlich werden sich Außenstehende bei der Summe erst einmal denken: Bitte, was? Aber wir wollen den E-Sport auf die gleiche Ebene mit dem klassischen Sport heben. Wie bei einer Fußballweltmeisterschaft auch, werden die Kosten zum größten Teil vom Gastgeberland und vom Veranstalter getragen. Beim Esports World Cup ist das beides Saudi-Arabien.

ZEIT ONLINE: Was ist eigentlich das Neue am Esports World Cup? Weltmeisterschaften in Disziplinen wie Counter Strike, League of Legends oder Fortnite gab es ja schon vorher.

Reichert: Der Esports World Cup findet ab jetzt jedes Jahr in Saudi-Arabien statt. Für die Premiere haben wir die 20 wichtigsten E-Sport-Spiele der Welt ausgewählt, auf allen drei Plattformen: PC, Konsole und Mobile. Jedes Spiel bekommt beim Esports World Cup zwar sein eigenes Turnier, aber wir bringen alles an einem Ort zusammen. Die teilnehmenden Clubs können in jeder Disziplin ein Team stellen. Der Club, der in den acht Wochen über alle Disziplinen hinweg die meisten Medaillen oder Punkte gesammelt hat, gewinnt den Esports World Cup. Damit soll zum ersten Mal ein gemeinsamer Wettbewerb über Disziplingrenzen hinaus geschaffen werden.

ZEIT ONLINE: Angekündigt wurde das Turnier vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman persönlich, im Publikum saßen Cristiano Ronaldo und Gianni Infantino. Welche Rolle spielt der E-Sport-Wettbewerb in der saudischen Strategie, die Wirtschaft unabhängiger von Ölexporten zu machen?

Reichert: Teil der saudischen Strategie "Vision 2030" ist es, die größten Sportveranstaltungen ins Land zu holen. Es soll der internationale Mittelpunkt der Gaming- und E-Sport-Szene werden. Damit möchte Saudi-Arabien vor allem Urlauber ins Land locken, um den Tourismussektor auszubauen. Und da es noch keine ultimative Weltmeisterschaft mit all den besten Spielen und all den besten Teams im E-Sport gab, hat das Land die Esports World Cup Foundation ins Leben gerufen, deren CEO ich werden durfte.

ZEIT ONLINE: Wie viele Fans werden den weiten Weg nach Riad auf sich nehmen, um bei über 40 Grad Außentemperatur professionelle Gamer spielen zu sehen?

Reichert: E-Sport findet ja zum Glück indoor statt, die Hallen sind natürlich klimatisiert. Wir haben in den letzten zwei Jahren schon ein paar Hundert Athleten und ein paar Tausend Fans zum Gamers8-Festival gebracht – eine Art Vorläufer des Esports World Cups. Wir rechnen dieses Jahr mit Zehntausenden Fans, in den nächsten Jahren mit Hunderttausenden und irgendwann werden es vielleicht über eine Million sein. Auch innerhalb Saudi-Arabiens gibt es E-Sport-Fans, allein Riad hat ja fast acht Millionen Einwohner, das ganze Land rund 36 Millionen. Nicht alle potenziellen Zuschauer trennen Langstreckenflüge vom Land.

Ralf Reichert © privat

ZEIT ONLINE: In einem aktuellen Länderbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu Saudi-Arabien (PDF) heißt es, die Menschenrechtslage im Land sei "alarmierend". Es gibt Folter, Frauen werden unterdrückt, auf Baustellen schuften Arbeiter, die wie Sklaven behandelt werden. Ist das ein Land, in das man den Mittelpunkt seiner Sportart manövrieren will?

Reichert: Natürlich habe ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Schon als es um die Übernahme meiner Firma ESL durch die saudische Savvy Games Group ging. Saudi-Arabien ist ein Königreich, es ist keine Demokratie und es ist ein sehr islamisch geprägtes Land. Aber die klare Botschaft Saudi-Arabiens ist, dass sich das Land weiterentwickeln will und sich weiter öffnen wird. Das ist die Prämisse, unter der ich mich dort engagiert habe. Mir ist durchaus bewusst, dass es an vielen Stellen berechtigte Kritik gibt, aber an vielen Stellen ist es auch einfach Unwissenheit und unberechtigte Kritik.

ZEIT ONLINE: Welche Kritik ist unberechtigt?

Reichert: Zum Beispiel beim Thema Frauenrechte. Ich habe mit vielen Frauen vor Ort zu tun, mit denen ich kollegial zusammenarbeite. Die Frauen stehen unter keinem Druck, wenn sie mit mir reden und sind stolz auf die Entwicklung in ihrem Land. Die sitzen da mit breiter Brust und sagen, wie glücklich sie sind, verglichen mit der Situation vor zehn Jahren.

ZEIT ONLINE: In Saudi-Arabien stehen auch homosexuelle Handlungen unter Strafe und können mit dem Tode bestraft werden.

Reichert: Die Einstellung zum Thema LGBTQ+ wird im Islam stark vom Koran geprägt. Homosexualität wird dort sicher nicht befürwortet und auch nicht gerne gesehen. Obwohl es Gesetze gibt, die Homosexualität verbieten, werden diese in der Realität nicht umgesetzt.