Louis XIV. war mit seinen 1,62 Metern nicht der Größte, wahrscheinlich musste er auch nicht viel selbst herumlaufen in Versailles. Zwei Gründe, warum der Sonnenkönig die talons rouges, die hohen roten Absätze am Schuh, favorisiert haben mag, wie sie auf dem berühmten Ganzkörperporträt von Hyacinthe Rigaud (1701) zu sehen sind. Aber vielleicht war Ludwig sportlicher unterwegs, als man denkt: Eine neue Studie, die in der März-Ausgabe des Journal of Applied Physiology veröffentlicht wurde, besagt, dass das regelmäßige Tragen von Absätzen mit einer Höhe zwischen 6,3 und 7,6 Zentimetern die Spannung in der Wadenmuskulatur und die Festigkeit der Achillessehne optimiert. Mit dem Ergebnis, dass sich die Laufökonomie – also der ergonomische Bewegungsablauf – verbessert. Die Wirkung halte auch dann an, wenn man zwischendurch wieder in flachere Schuhe schlüpfe, so der Autor der Studie, der Kinesiologe Owen N. Beck von der University of Texas. Als Training reiche schon, einige Wochen lang täglich mindestens 1.500 Schritte, das entspricht etwa einem Kilometer, auf hohen Absätzen zu absolvieren.

Anders als heute trugen im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts nicht nur Frauen, sondern auch Männer Schuhe mit Absätzen. Ob das noch einmal Mode werden könnte, und zwar nicht nur beim Adel? Seit ihrer Veröffentlichung wird Owen N. Becks Studie mit dem herrlich akademischen Titel Habitually wearing high heels may improve user walking economy in any footwear eifrig durch die Medien gereicht. Die Washington Post fragt in einem großen Artikel, ob bald auch Jogger und Läufer Absätze tragen würden, um ökonomischer zu laufen. Andere Artikel sind mit spektakulär hohen Pailletten-Stilettos illustriert, elf Zentimeter mindestens. Und ABC News lässt in Good Morning America die Chefkorrespondentin für Medizin antreten. Sie freut sich über die Studie und läuft in ihren eigenen Lederstiefeln, deren Absätze allerdings eher moderat hoch sind, zufrieden vor der Kamera auf und ab: "Po anspannen! Bauch rein! Knie gerade!"

Nun hat man in den vergangenen Jahrzehnten so oft gehört, dass das Tragen von Absätzen schädlich für die Haltung sei, und mindestens so schädlich für den Feminismus, dass man es schon bizarr finden kann, wenn die Wissenschaft es nun quasi empfiehlt. Aus modischer Sicht aber kommt die Studie zum richtigen Zeitpunkt. Der Balletcore-Trend verwandelte zuletzt nämlich modeverliebte Frauen in Möchtegernballerinas mit pastellfarbenen Stulpen, Tülltutus und vor allem mit diesen Lederschläppchen, die fürs Plié an der Stange sinnvoll erscheinen mögen, im Alltag aber Gang und Rücken der Trägerin ruinieren. Währenddessen lag bei den Männern zuletzt vor allem der sogenannte Barfußschuh mit extradünner Sohle im Trend. Sein Träger schwärmt von Erdverbundenheit, nach dem Motto: Je näher mein Fuß den Wurzeln und Halmen ist, desto kerniger meine Naturliebe. Bestimmt joggt er nach dem Eisbaden noch mindestens drei Runden oben ohne durch den Park, selbst bei Minusgraden. Gut sieht der Barfußschuh nicht aus – und was, wenn er nicht mal gesund ist?

"Alles nichts Neues!", sagt Gert-Peter Brüggemann zu der Studie aus den USA. Brüggemann ist Professor am Institut für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule Köln und erzählt, schon frühere Studien, etwa aus dem Jahr 2012 von Neil J. Cronin, hätten bewiesen: "Wenn man durch eine bestimmte Form des Trainings die Eigenschaften der Wadenmuskeln und der Achillessehne verändert, kommt es zu einer Verbesserung der Lauf- und Gehökonomie." Bei der neuen Studie aus Texas sei dies durch speziell erhöhte Schuhe nachgewiesen worden. Tatsächlich klebten Owen N. Beck und sein Team in Texas schwarze Schaumstoffkeile unter die Sohlen ganz normaler schwarzer Low-Top-Chucks von Converse, bis jeweils ein Gefälle von 14 Grad von der Ferse bis zum Vorfuß erreicht war. Die Probandinnen und Probanden trugen diese Experimentalschuhe bis zu drei Monate lang täglich im Alltag. Die Schuhe sind im Journal for Applied Physiology abgebildet: so hässlich, sie könnten von Balenciaga sein.

Beim Gehen in derart erhöhten Schuhen werde die Wadenmuskulatur kontrahiert, die Muskelfaserbündel würden kürzer, die Achillessehne werde steifer, erklärt Professor Brüggemann: "Werden die Muskelfasern kürzer, haben die einzelnen Faszikel einen günstigeren Winkel, sie können mehr Kraft generieren. Und wird dazu die Sehne steifer und bei der Muskelkontraktion gedehnt, kann sie elastische Energie aufnehmen. Dadurch kann der Muskel langsamer arbeiten. Ein Muskel, der langsamer arbeitet, verbraucht weniger Energie. Ganz banal gesagt: Man braucht dann weniger Sprit bei der gleichen Geh- oder Laufgeschwindigkeit."

Mit hohen Absätzen Energie sparen, klingt das nicht grandios? Die Studie von Owen N. Beck aus Texas formuliert es tatsächlich so: Das Laufen auf den abschüssigen Schaumstoffkeilen mache aus den Trägerinnen und Trägern "more metabolically economical human beings". Gert-Peter Brüggemann aus Köln sagt, derselbe Effekt sei in früheren Studien aber auch schon ohne Experimentalschuhe gemessen worden. Damals verordneten die Forscher ihren Probandinnen und Probanden einfach ein isometrisches Bein- und Fußtraining im Labor: "Die Ergebnisse waren noch deutlicher als in der neuen Studie", erklärt Brüggemann.