Die chinesischen Behörden haben die Metropolen Wuhan, Huanggang, Xiantao und Ezhou sowie das kleinere Chibi aus Sorge vor einer weiteren Verbreitung eines neuartigen Coronavirus in Teilen abgeriegelt. Die vier Städte liegen in der Provinz Hubei nicht weit von Wuhan, wo das Virus erstmals aufgetreten war.

In Huanggang wurde eine Unterbrechung der öffentlichen Bus- und Bahnverbindungen angekündigt, wie das örtliche Fernsehen berichtete. Die Behörden riefen die Bürger dazu auf, die Stadt nur unter besonderen Umständen zu verlassen. Die Behörden der Stadt Xiantao teilten am Donnerstag mit, 30 Mautstationen auf den Zufahrtsstraßen zu der 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt seien geschlossen worden. Der Verkehr dort sei untersagt. In der Stadt Chibi, die etwa eine halbe Million Einwohner hat, wollten die Behörden den öffentlichen Verkehr ab Mitternacht aussetzen.

Die chinesische Hauptstadt Peking strich alle größeren Veranstaltungen und Tempelfeste anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes am Samstag. Die städtische Tourismusbehörde teilte mit, dass damit "die Ansammlungen von Menschen verringert werden sollen". Die Anweisung gilt ab sofort und betrifft auch die traditionellen Jahrmärkte in den Tempeln der Hauptstadt, die normalerweise über die zwei Wochen andauernden Neujahrsfeierlichkeiten stattfinden. Selbst die Verbotene Stadt bleibt von Samstag an bis auf Weiteres für Touristen geschlossen. Das berichtet die staatliche Volkszeitung. Wann die Anlage mit ihren weltberühmten Palästen wieder zugänglich sein werde, hänge von der Entwicklung ab. Die Verbotene Stadt ist die größte Touristenattraktion in der chinesischen Hauptstadt.

Experten schätzen 4.000 Fälle allein in Wuhan

Unterdessen wurde bekannt, dass die Zahl der mit dem neuen Coronavirus Infizierten neuen Berechnungen zufolge deutlich höher sein könnte als die Zahl der festgestellten Fälle. Das Virus kann eine Lungenkrankheit zur Folge haben, an der bislang nach bisherigen Erkenntnissen mehr als 15 Menschen starben. Erstmals ist auch ein Mensch außerhalb der Provinz Hubei an dem Virus gestorben, wie am Donnerstag bekannt wurde. Die Gesundheitsbehörde der nördlichen Provinz Hebei, die an die Hauptstadt Peking angrenzt, meldete den Tod eines 80-jährigen Mannes. Er starb demnach bereits am Mittwoch.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief trotz der rasanten Ausbreitung vorerst keine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" aus. Ein Expertenrat, der die WHO berät, sah dafür am Donnerstag keinen Anlass.

Experten des Imperial College London gehen davon aus, dass bis zum 18. Januar bei etwa 4.000 Menschen in der chinesischen Stadt Wuhan Symptome aufgetreten sind. Das geht aus einem Bericht des Zentrums für die Analyse globaler Infektionskrankheiten hervor. In China sind inzwischen 634 Infizierte bestätigt. Das meldet das staatliche Fernsehen in der Volksrepublik.

Die Schätzung der britischen Experten geht auf ein Rechenmodell zurück, in dem die im Ausland festgestellten Infektionen mit der Zahl der Flugreisenden, der Bevölkerung und der angenommenen Inkubationszeit verknüpft wurden. Mit der Ausweitung der Tests und der Beobachtung des Geschehens sei zu hoffen, dass die Unterschiede zwischen den geschätzten und den nachgewiesenen Fallzahlen schrumpfen, hieß es.

Die Sorgen vor einer Ausbreitung des Virus werden durch den intensiven Reiseverkehr rund um das chinesische Neujahrsfest am kommenden Samstag gesteigert. Das Virus ist von Mensch zu Mensch übertragbar. Chinas Vizegesundheitsminister warnte, es gebe Hinweise auf eine grippeähnliche Übertragung des Virus über die Luft durch Tröpfcheninfektion. Die chinesische Gesundheitsbehörde kündigte zudem verstärkte Desinfizierungen von Flughäfen und Bahnhöfen sowie in Einkaufszentren an. 

Die Forscher vom Imperial College gehen von einer Inkubationszeit von fünf bis sechs Tagen aus. Dabei handelt es sich aber um eine Schätzung auf Grundlage von Erfahrungen mit ähnlichen Krankheiten. Zwischen dem Ausbruch der Krankheit und der Diagnose würden aber wohl häufig weitere vier bis fünf Tage vergehen, heißt es in dem Bericht. Es wird vermutet, dass das neuartige Virus von einem Tiermarkt aus Wuhan kommt.

Politiker sehen keine Gefahr für Deutschland

Deutsche Politiker sehen die Bevölkerung hierzulande durch die Ausbreitung des Virus in China bislang nicht akut gefährdet. So sieht der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach für eine verpflichtende Fieberkontrolle bei Flugpassagieren noch keine "Notwendigkeit". Allerdings mahnte er in der Passauer Neuen Presse, dass das gleiche Virus bereits in einigen Wochen sehr viel gefährlicher sein könnte.

Zuvor hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor Alarmismus in Deutschland gewarnt. "Wir sind natürlich wachsam" und es gebe auch Notfallpläne, sagte er in der ARD. "Nach allem, was wir wissen, würden wir im Fall einer Infektion in Deutschland oder Europa mit unseren Gesundheitssystemen auch sehr gut damit umgehen können."