Ja, ja – der Strom kommt aus der Steckdose: Dieser Satz wurde früher einmal denen spöttisch erwidert, die gegen Atomstrom waren und die sich wenig Gedanken darüber machen wollten, wo der alternative grüne Strom eigentlich herkommen soll. Das ist lange her. Jetzt aber erlebt diese besondere Sorte der Ignoranz eine neue Blüte – und zwar ausgerechnet im Wirtschaftsministerium. Denn anders als durch Ignoranz lässt sich kaum noch erklären, was Peter Altmaier da gerade so tut oder seine Beamten tun lässt.

Energiegewinnung aus Windkraft wird sinken

Anfang der Woche wurde ein Gesetzentwurf seines Hauses bekannt, der den Ausbau der Windenergie im Lande faktisch erledigen wird. Sollte der Bundestag tatsächlich beschließen, was das Wirtschaftsministerium da aufgeschrieben hat, dann muss der Mindestabstand eines Windrades zum nächsten Haus bald mindestens 1.000 Meter betragen – außer das Bundesland oder die Kommune beschließen noch etwas anderes. Faktisch bedeutet das, dass kaum noch neue Windräder gebaut und alte nicht mehr ersetzt werden können. Die Energiegewinnung aus Windkraft wird also in den kommenden Jahren sinken.

Zu dieser düsteren Prognose kommen nicht nur die Umweltverbände. In seltener Einmütigkeit fällen auch die Industrie und die Gewerkschaften ein vernichtendes Urteil über den Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums: "Es ist uns unerklärlich, dass an einer Regelung zu bundeseinheitlichen Mindestabständen festgehalten wird", schreiben sie, "obwohl klar ist, dass damit das Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien in 2030 nicht gehalten werden kann."

Der Strom kommt aus der Steckdose? Klar. Noch kommt er daher. Aber die Verbände haben ja Recht mit ihrer Mahnung: Wenn Deutschland aus der Atomkraft und dann tatsächlich auch noch aus der Kohle aussteigen soll – wie die Bundesregierung das immer wieder verspricht – wie soll Strom dann künftig noch in die Steckdose reinkommen? Eine Weile wahrscheinlich wird Energie noch durch Gaskraftwerke erzeugt werden, die sind nicht ganz so schädlich wie Kohlekraftwerke. Eine Weile wird noch Öl verbrannt werden. Dann aber muss ein CO2-neutrales Land, das außerdem noch elektrisch mobil sein will, allen Strom nur noch aus Sonne-, Wasser und vor allem Windkraft gewinnen können. Dafür aber müssen mehr Solarzellen, mehr Speicher, mehr und vor allem größere Windräder her. Sonst wird sich die ganze Energiewende als schlechter Scherz entpuppen.

In der Bundesregierung heißt es, man wolle durch die neuen Regeln für die Windkraft den Kritikern entgegenkommen und für eine wachsende Akzeptanz sorgen. Das klingt im ersten Moment gut. Tatsächlich ist beim Ausbau dieser Energiegewinnung an manchen Orten etwas schiefgelaufen. Die Gewinne, die mit Rädern gemacht wurden, blieben bei den Investoren und die betroffenen Bürger, die sich von den nächtlich leuchtenden und brummenden Rädern belästigt sahen, hatte das Nachsehen. Ihre Gemeinden übrigens auch.

Nur, die Akzeptanz der Windenergie ist erstens gar nicht so schlecht, wie die Bundesregierung annimmt. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag der Fachagentur Wind ergab sogar gerade erst: Selbst unter den Bürgern, die in der Nachbarschaft ein Windrad haben, sind drei Viertel damit einverstanden. Und zweitens stellt man mehr Akzeptanz für eine Technologie ja nicht her, indem man diese faktisch beerdigt.

Es lassen sich Kompromisse finden

Man kann die Leidtragenden und die Kommunen besser entschädigen. Man kann die Kritiker einbinden und vor Ort mit ihnen gemeinsam entscheiden, wo ein Rad hin darf und wo nicht. Die Umweltorganisation BUND hat in einem jahrelangen Ringen zwischen Umwelt- und Naturschützern vorgemacht, wie sich beispielhafte Kompromisse finden lassen. 

Peter Altmaier galt einmal als ein Mann, der für solche lebenspraktischen Ideen offen war und hinhörte. Der moderne schwarz-grüne Träume hatte. Als einer, der das Land klug modernisieren wollte. Das aber scheint ganz lange vorbei. Heute lassen ihn die Mahnungen der Umweltschützer offensichtlich ebenso kalt wie die der Industrie und der Gewerkschaften. Interessiert ihn nur, dass die Koalition weitermacht und er als Minister auch? Irgendwie? Wenn er das Amt doch irgendwann einmal wird aufgeben müssen, dann wird man sich an ihn vor allem in einer Funktion erinnern: als ein Verzögerer der Energiewende.