Mario Draghi hatte am Dienstag seinen großen Aufritt. Auf einer Notenbankkonferenz im portugiesischen Residenzstädtchen Sintra hielt der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Rede, in der er die Geschichte der Währungsunion Revue passieren ließ und deutlich machte, dass er zu neuen Stützungsmaßnahmen bereit sei, wenn sich die Konjunktur in Europa weiter eintrübe.

Der Euro ging daraufhin auf Talfahrt, wogegen Donald Trump prompt protestierte – mit dem Argument, dass Draghi durch die Abwertung nur den europäischen Exporteuren Vorteile gegenüber ihren amerikanischen Konkurrenten verschaffen wolle.

Dabei ist die spannende Frage eine andere: ob es nämlich in Ordnung ist, wenn die Notenbanken mit ihren Geldspritzen Populisten wie Trump an der Macht halten. Oder etwas zugespitzter formuliert: Ist es nicht die Pflicht der Zentralbanker, sich angesichts der weltweiten autoritären Tendenzen der Widerstandsbewegung anzuschließen?

Wir leben aber nicht in normalen Zeiten

Zunächst einmal muss festgehalten werden: Notenbanken sind Teil des Staatsapparats. Sie können in den meisten westlichen Ländern zwar unabhängig agieren, haben dafür aber ein klares Mandat verpasst bekommen. Die EZB etwa muss für stabile Preise sorgen. So steht es in den europäischen Verträgen. Was ansonsten in Europa politisch entschieden wird, hat die Notenbank nicht zu interessieren.

In normalen Zeiten ist das ein sinnvolles Arrangement. Eine Zentralbank ist nicht selbst demokratisch legitimiert und hat deshalb den Auftrag auszuführen, den ihr die demokratisch legitimierten Parlamente erteilt haben. Wir leben aber nicht in normalen Zeiten. In den USA ist Donald Trump gerade dabei, ein autoritäres Staatswesen zu errichten. In Italien hat Matteo Salvini möglicherweise Ähnliches vor. In Russland hat das Wladimir Putin bereits weitgehend geschafft.

Das Problem ist: Die Notenbanken sind an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig. Warum das so ist, lässt sich gerade in den USA beobachten. Dort überzieht Trump die Welt mit Sanktionen und Strafzöllen, was zunehmend auch die amerikanischen Unternehmen trifft und wahrscheinlich längst zu einem Einbruch des Wachstums geführt hätte – wenn nicht Notenbankpräsident Jerome Powell eingeschritten wäre. Er hat deutlich gemacht, dass er notfalls die Zinsen senken würde, um die Konjunktur zu stützen.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Powell macht genau das, was er laut Mandat der Federal Reserve machen soll. Er wendet Schaden von der amerikanischen Wirtschaft ab. Er würde seine Kompetenzen überschreiten, wenn er aus politischen Gründen auf ökonomisch betrachtet notwendige Zinssenkungen verzichten würde.

Aber Powell wird damit ungewollt selbst zum politischen Akteur. Denn indem er die Wirtschaft mit frischem Geld versorgt, neutralisiert er gleichsam die unerwünschten Nebenwirkungen der Maßnahmen des amerikanischen Präsidenten. Im Ergebnis führt das dazu, dass die Wähler die Konsequenzen des wirtschaftspolitischen Kurses von Donald Trump zunächst einmal nicht zu spüren bekommen. Der kann fröhlich weiter die Grundlagen der Weltordnung demolieren – und wenn die Amerikaner das irgendwann mitkriegen, ist es vielleicht zu spät beziehungsweise von dieser Ordnung nicht mehr viel übrig. Es ist jedenfalls fraglich, ob Putin noch an der Macht wäre, wenn die höchst kompetente russische Zentralbank nicht den wirtschaftlichen Schaden seiner außenpolitischen Eskapaden durch eine aggressive Geldpolitik einigermaßen begrenzt hätte.

Vielleicht auch mal Nein sagen

Es gibt keinen einfachen Ausweg aus dem Dilemma. Würden die Notenbanken den Geldhahn nicht öffnen, dann wäre das mit erheblichen sozialen Kosten verbunden: Menschen würden ihre Arbeit verlieren, der Staat müsste Ausgaben kürzen. Auch demokratietheoretisch ergäben sich Probleme, denn die Zentralbanker würden sich gegen demokratisch gewählte Politiker stellen.

Dennoch werden Mario Draghi und seine Kollegen der Frage nicht entkommen können, wie sie damit umgehen, wenn ihre Dienste von Machthabern in Anspruch genommen werden, die nicht viel auf die freiheitlich-demokratische Ordnung geben. Der Blick in die Geschichte lehrt: Hinter fast jedem Tyrannen steht ein Banker, der die finanziellen Hindernisse aus dem Weg geräumt hat.

Man muss vielleicht auch einmal Nein sagen.