Millionenbetrug

Falsche Bankbeamtin rief Opfer von Türkei aus an

Gericht
29.04.2024 15:23

Die Täter agieren aus Callcentern in Instanbul. Sie bringen ihre betagten Opfer in Wien um deren Lebensersparnisse. Eine dieser Telefonistinnen muss sich am Montag in Wien wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs und krimineller Vereinigung verantworten. Die 27-Jährige gibt Einblicke in das verachtenswerte System, doch die Erzählung wirkt einstudiert.

Kaltblütigkeit hat viele Gesichter. Im Fall der Angeklagten im Wiener Landesgericht am Montag überrascht es aber: Elegant, gepflegt und redegewandt präsentiert sich die 27-jährige Frau Richter Michael Radasztics. Ihre langen blonden Haare hat sie zu einem Zopf gebunden. Die Stimme ist freundlich, aber bestimmt. 

Viele Opfer schweigen aus Scham
Die Angeklagte soll ein Rädchen jener kriminellen Organisation sein, die aus der Türkei aus agiert und ältere Menschen mit Räubergeschichten um ihr Geld bringt: „Ziel sind schwere Betrugshandlungen zum Nachteil hochbetagter Menschen, die sie bei den Telefonaten sehr überzeugend dazu bringen, ihre Konten zu leeren. Ihre Lebensersparnisse übergeben die Opfer einem Abholer und weg ist das Geld“, leitet der Oberstaatsanwalt der WKStA ein. „Wir stehen bei 250 Taten mit mehr als zwölf Millionen Euro Schaden. Die Dunkelziffer ist weit höher, weil viele Opfer aus Scham schweigen oder ein schlechtes Gewissen gegenüber potenziellen Erben haben.“

Ein schlechtes Gewissen beteuert auch die Angeklagte, doch wirkt ihre Geschichte einstudiert und nicht sehr aufrichtig: „Ja, ich war so eine Telefonistin in einem Callcenter in Istanbul in der Türkei“, gibt sie aber zu, „ich war jedoch nur ein paar Tage schnuppern.“ Abschlüsse, oder wie sie es nennt „Treffer“, habe sie nicht auf dem Gewissen, auch wenn ihr die WKStA zwei Fälle anlastet. 

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Ich habe mich als Bankmitarbeiterin ausgegeben und der Dame gesagt, dass jemand versucht hätte, mit ihrer Karte einen hohen Betrag abzuheben. Das war immer der Einstieg.

Die 27-Jährige in ihrem Prozess

Übergibt Opfer Geld, nennen Täter dies „Treffer“
Wie sie zu der Tätigkeit im türkischen Callcenter gekommen sei, will Radasztics wissen: „Ich bin im Oktober nach Istanbul geflogen, um den Geburtstag einer Freundin zu feiern.“ In einem Klub habe sie einen der Drahtzieher kennengelernt, der ihr den Job angeboten habe: „Ich habe drei Tage lang nur bei Telefonaten zugehört. Da wurde mir alles beigebracht und gezeigt, wie man das macht.“ Dann versuchte sie es selbst, rief eine Wienerin an, die ihr von den Bossen genannt wurde. „Ich habe mich als Bankmitarbeiterin ausgegeben und der Dame gesagt, dass jemand versucht hätte, mit ihrer Karte einen hohen Betrag abzuheben. Das war immer der Einstieg.“ Fiel ein Opfer auf die Geschichte rein, folgten abenteuerliche Schilderungen über Banden, die es auf das Bankvermögen der Pensionisten abgesehen hätten. Einen „Treffer“ landete man, wenn das Opfer in Wien seine Ersparnisse abhob und eine hohe Geldsumme an den Abholer, einen falschen verdeckter Ermittler, übergeben hatte.

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Eine Kollegin hat einen gigantischen Treffer gelandet. Zur Feier des Tages hat sie uns zum Essen eingeladen, sich ein Tattoo und Ohrlöcher stechen lassen.

Die Angeklagte über die Betrugstaten.

Künstliche Intelligenz als Betrugs-Assistenz? 
Im Prozess wartet die Angeklagte mit einer nicht minder abenteuerlichen Geschichte auf. Demnach sei der Ablauf in dem Callcenter, das in einem Einfamilienhaus mit Nagelstudio und Masseur im Erdgeschoss und einem Fitnesscenter nebenan ausgestattet sein soll, so ab: Wenn eine Telefonistin ein Opfer am Haken hatte, gab sie das Gespräch an einen der Bosse weiter. Dieser führte dann das Gespräch mit Hilfe künstlicher Intelligenz so zu Ende, dass der Gesprächspartner nicht merkte, dass jetzt ein Mann spricht: „Das ist ein wahnsinniges System mit einem ´Voice-Changer´, die Stimme ändert sich nicht“, behauptet sie. 

Urteil: Teilbedingte Haft
Zwischen 10.000 und 15.000 Euro seien ihr für einen „Treffer“ versprochen worden, gibt die Angeklagte, die vorübergehend in U-Haft saß, an. Sie berichtet von einer Freundin, die einen „gigantischen Treffer“ gemacht haben soll. Das Opfer hätte in diesem Fall 600.000 Euro übergeben. „Zur Feier des Tages hat sie sich ein Tattoo und Ohrlöcher stechen lassen.“ – Während das Opfer in Wien geschockt realisierte, dass es auf eine schlimme Betrugsmasche reingefallen ist.

Weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie die Anrufe, die zu „Treffern“ geführt haben, tätigte, gab es einen Freispruch vom Betrugsvorwurf. Wegen krimineller Vereinigung setzte es 18 Monate Haft, davon zwei fest. Nicht rechtskräftig.

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