Kommt jetzt Neuwahl?

Amt des Premiers ruht – Spanien in Turbulenzen

Ausland
25.04.2024 17:49

Spanien gerät in politische Turbulenzen und könnte auf Neuwahlen zusteuern. Auslöser ist die Ankündigung von Ministerpräsident Pedro Sánchez, seine Amtsgeschäfte einige Tage ruhen zu lassen. Zuvor hatte ein Gericht die Einleitung von Vorermittlungen gegen dessen Ehefrau Begoña Gomez angekündigt. Dabei soll geprüft werden, ob sie sich bei privaten Geschäften der Korruption schuldig gemacht habe.

Der Sozialist Sánchez, der eine von Regionalparteien gestützte Minderheitsregierung anführt, will am Montag bekannt geben, ob er im Amt bleibt. Zwar könnte das Parlament bei einem Rücktritt einen neuen Regierungschef wählen, erklärte der Politikwissenschaftler Lluis Orriols von der Universität Carlos III in Madrid. Angesichts der zersplitterten Mehrheitsverhältnisse seien jedoch Neuwahlen wahrscheinlicher.

Sánchez hatte am Mittwochabend – wie berichtet – in einem Brief wissen lassen, dass er „innehalten und nachdenken“ müsse. Denn auf die Frage, ob es sich lohne, die Regierung weiterzuführen oder darauf zu verzichten, brauche er „dringend eine Antwort“.

Greift Opposition an
Sánchez sprach von schweren Angriffen aus dem rechten Lager, die er und seine Frau ausgesetzt seien. Diese erforderten eine besonnene Reaktion. Seine Frau werde mit den Ermittlern zusammenarbeiten und zeigen, dass sie unschuldig sei. In dem Brief griff Sánchez auch den Oppositionsführer Alberto Nuñez Feijóo von der Volkspartei (PP) und Santiago Abascal von der rechtsextremen Vox-Partei an. Der Regierungschef erklärte, sie hätten mit denjenigen „kollaboriert“, die die Vorwürfe gegen seine Frau verbreiteten.

Veröffentlicht wurde der „Brief an die Bürgerschaft“ auf der Plattform X:

Korruptionsjäger zeigten Gomez an
Die Prüfung des Gerichts gehe auf eine Anzeige der Gruppe Manos Limpias - „saubere Hände“ – zurück. Diese wirft Sánchez‘ Ehefrau vor, während ihrer Zeit als Leiterin eines afrikanischen Forschungszentrums an der Madrider IE Business School bis 2022 Gefälligkeiten von der Fluggesellschaft Air Europa und deren spanischen Holding Globalia angenommen zu haben: Dies geht aus einem Dokument hervor, das der Radiosender Cadena Ser auf seiner Website veröffentlicht hat.

IE erklärte in einer Stellungnahme, nie finanzielle Unterstützung von Globalia oder seinen Tochtergesellschaften erhalten zu haben. Globalia antwortete am Mittwoch nicht auf eine Bitte von Reuters um Stellungnahme. Manos Limpias hat sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben. Ihre Führung hat Verbindungen ins rechte Lager.

Staatsanwaltschaft beantragte Einstellung der Ermittlungen
Für Sánchez‘ Ehefrau gab es am Donnerstag eine gute Nachricht. Die Staatsanwaltschaft in Madrid beantragte nämlich eine Einstellung der Vorermittlungen gegen sie, wie spanische Medien berichteten. Gleichzeitig habe die Anklagebehörde am Donnerstag gegen die Zulassung der Korruptionsanzeige gegen die Frau von Sánchez Berufung eingelegt, hieß es. Ein Justizsprecher bestätigte diese Informationen. Die Sicht der Staatsanwaltschaft hat Gewicht. Über die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens entscheidet aber ausschließlich der Richter.

Sánchez ist politisch risikofreudig. Voriges Jahr rief er Neuwahlen aus, nachdem seine Sozialistische Arbeiter-Partei (PSOE) bei den Regionalwahlen schlecht abgeschnitten hatte. Bei den vorgezogenen Wahlen im Juli konnte seine PSOE dann zwar überraschend zulegen, wurde aber von der konservativen Volkspartei überholt. Mit Unterstützung von linken und regionalen Parteien konnte sich Sánchez aber trotzdem im Amt halten. Dafür nahm er eine Amnestie für katalanische Separatisten in Kauf, die in Spanien umstritten ist.

Experten glauben nicht an Rückzug
Die meisten Analysten glauben nicht an einen Rückzug des gewieften Taktikers. „Das Werfen des Handtuchs passt nicht zu Sánchez“, hieß es unisono in einer Talkrunde des staatlichen Fernsehsenders RTVE. Er werde auch für den Trostpreis eines hohen Postens in Brüssel kaum aufgeben. RTVE-Starmoderatorin Silvia Intxaurrondo wies darauf hin, dass der portugiesische Premier António Costa im Vorjahr nach Berichten über Justizermittlungen zurückgetreten war, die sich später als haltlos herausgestellt hatten.

Die Analysten stimmen aber auch nahezu alle darin überein, dass Sánchez am Montag nach seinem Aufsehen erregenden „Brief an die Öffentlichkeit“ auch nicht ohne Weiteres zur Tagesordnung werde übergehen können. Am wahrscheinlichsten sei, dass er dem Parlament die Vertrauensfrage stelle, schrieb unter anderem die Zeitung „La Vanguardia“. „Selbst die schärfsten Kritiker räumen seine große strategische Fähigkeit ein, Kaninchen aus dem Hut zu zaubern und immer wieder aufzuerstehen, als er schon tot und begraben war.“

Nicht ausgeschlossen ist, dass Sánchez wieder die Flucht in Neuwahlen antreten könnte. Laut Verfassung kann er diese aber erst Ende Mai verkünden, nach Ablauf eines Jahres seit seiner vergangenen Neuwahlankündigung. Die Wahlen fänden dann wieder Ende Juli statt, also mitten im Sommer.

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